[ home: http://bkb.eyes2k.net ]



Blockseminar Prof. Dr. Birte Kleine-Benne:
post?-kolonial blicken



Homi K. Bhabha, The location of culture, 1994, dt. 2000

Third Space
Intermediärer Raum. Entsteht, wenn es zu kulturellen Kontakten/Begegnungen mit der Folge von Durchdringungen kommt. Zwischenraum, in dem die Oppositionen vorübergehend ausser Kraft gesetzt sind. Raum der Intervention im Hier und Jetzt. Weder das Eine noch das Andere kann hier Dominanz beanspruchen. Entsteht im Spannungsfeld zwischen Identität und Differenz und beschreibt das Bild eines Ortes, an dem sich Differenzen ohne Hierarchisierung treffen bzw. Hierarchisierungen ausser Kraft gesetzt werden können. Third Space als Möglichkeitsbedingung für Hybridisierungen.
"Das Treppenhaus als Schwellenraum zwischen den Identitätsbestimmungen wird zum Prozess symbolischer Interaktion, zum Verbindungsgefüge, das den Unterschied zwischen Oben und Unten, Schwarz und Weiss konstituiert. Das Hin und Her des Treppenhauses, die Bewegung und der Übergang in der Zeit, die es gestattet, verhindern, dass sich Identitäten an seinem oberen und unteren Ende zu ursprünglichen Polaritäten festsetzen. Dieser zwischenräumliche Übergang zwischen festen Identifikationen eröffnet die Möglichkeit einer kulturellen Hybridität, in der es einen Platz für Differenz ohne eine übernommene Hierarchie gibt." (Bhabha 2000, S. 5)
"Diese 'Zwischen'-Räume stecken das Terrain ab, von dem aus Strategien - individueller oder gemeinschaftlicher - Selbstheit ausgearbeitet werden können, die beim aktiven Prozess, die Idee der Gesellschaft selbst zu definieren, zu neuen Zeichen der Identität sowie zu innovativen Orten der Zusammenarbeit und des Widerstreits führen. Beim Entstehen solcher Zwischenräume - durch das Überlappen und De-plazieren (displacement) von Differenzbereichen - werden intersubjektve und kollektive Erfahrungen von nationalem Sein (nationness), gemeinschaftlichem Interesse und kulturellem Wert verhandelt." (Bhabha 2000, S. 2)
"Privates und Öffentliches, Vergangenheit und Gegenwart, Psyche und Gesellschaft entwickeln eine Zwischen-Initimität. Diese Initmität stellt binäre Trennungen in Frage [...]." (Bhabha 2000, S. 20)

Mimikry
Prozess der Nachahmung (z.B. zwischen Kolonialmacht und Kolonisiertem). Nachahmung der "regierenden" Kultur und deren Gepflogenheiten bleibt immer makelhaft, kann nie perfekt (ident) ausfallen, sonst wäre sie bereits assimiliert. Kann eine Methode des Autoritätserhalts der Kolonialherren gegenüber den Kolonisierten sein. Prozess der Mimikry ist wechselseitig (Bsp. Teekultur in Grossbritannien). Aushandlungsprozess. Hybridität entsteht. Subversion des kolonialen Herrschaftsdiskurses. Mimikry ist performativ, da sie immer eine neue Aushandlung herausfordert.
"Unter dem Schutz der Tarnung ist die Mimikry [...] ein Teil-Objekt, das die normativen Systeme des Wissens über die Priorität von Rasse, Schreiben, Geschichte radikal umwertet." (Bhabha 2000, S. 134)

Hybridität
Konzeptualisierung kultureller Mischformen. Entsteht etwa im Prozess der Mimikry und lässt sich im sog. Third Space verorten. Weder ein multikulturelles Nebeneinander noch eine Synthese, sondern eine andauernde und nicht lösbare Durchdringung. Keine Vermischung von Standpunkten, sondern eine dialogische Konfrontation. Gegen eine Politik der Polarisierung. Umkonzeptionierung von Identität zu Differenzen. Statt Ein- und Ausschluss: Produktivität interner Differenzen. Keine auf Konsens beruhenden Formen, sondern kultureller Dissens. Mehrfachcodierungen. Antiessentialismus. Dekonstruktion der alten, essentialistischen Konzepte von Rasse, Identität, Nation..., Kulturen einer postkolonialen Gegen-Moderne, die in einem angrenzenden, diskontinuierlichen oder oppositionellen Verhältnis zur Moderne stehen. Statt Souveränität nationaler Kulturen oder Universalismus der menschlichen Kultur verrückte soziale und kulturelle De-plazierungen.
"Konzepte wie homogene nationale Kulturen, die auf Konsens beruhende und nahtlose Übermittlung historischer Traditionen oder 'organisch' gewachsene ethnische Gemeinschaften werden - als Basis kulturellen Vergleichs - derzeit grundlegend neu definiert." (Bhabha 2000, S. 7)
"Das Auffallende am 'neuen' Internationalismus ist, dass die Hinwendung vom Besonderen zum Allgemeinen, vom Materiellen zum Metaphorischen keine glatt verlaufende transitorische und transzendent Bewegung ist. Der 'Mittelweg' der zeitgenössischen Kultur ist, wie das auch bei der Sklaverei selbst der Fall ist, ein Prozess des De-plazierens und Ent-bindens, der die Erfahrung nicht in ihrer Totalität erfasst." (Bhabha 2000, S. 8)
"Hybridität ist der Name für diese De-plazierung des Wertes vom Symbol zum Zeichen, die zur Aufspaltung des dominanten Diskurses entlang der Achse seines Vermögens führt, repräsentativ, autoritativ zu sein." (Bhabha 2000, S. 168)
"Wenn wir den Effekt kolonialer Macht in der Produktion von Hybridisierung sehen und nicht in der lauten Herrschaft kolonialer Autorität oder der stummen Verdrängung indigener Traditionen, findet ein wichtiger Perspektivwechsel statt. Er offenbart die Ambivalenz am Ursprung traditioneller Diskurse über Autorität und ermöglicht eine Form der Subversion, die in dieser Unsicherheit gründet und die diskursiven Zustände der Herrschaft in den Nährboden der Intervention verwandelt." (Bhabha 1994, S. 112)
"Nur wenn die Theorie der Tatsache Rechnung trägt, dass schon der Ort der Äusserung in sich gespalten ist, kann eine internationale Kultur gedacht werden, die nicht auf dem Exotismus des Multikulturalismus oder der Diversität der Kulturen basiert, sondern auf der Einschreibung und Artikulation der Hybridität von Kultur." (1994, S. 38)

Kunst
"Kulturelle Grenz-Arbeit verlangt nach einer Begegnung mit der 'Neuheit', die an dem Kontinuum von Vergangenheit und Gegenwart nicht teilhat. Sie erzeugt ein Verständnis des Neuen als eines aufrüherischen Aktes kultureller Übersetzung. Dieser Art von Kunst gegenwärtigt Vergangenheit nicht einfach als gesellschaftliche Ursache oder ästhetischen Vorläufer; sie erneuert die Vergangenheit, indem sie sie neu als angrenzenden 'Zwischen'-Raum darstelt, der die konkrete Realisierung der Gegenwart innoviert und unterbricht." (Bhabha 2000, S. 11)

Bhabhas Beispiele
Renée Green, Sites of Genealogy
Südafrikanische Romane von Richard Rive, Besssie Head und John Coetzee
Nadine Gordimer, Die Geschichte meines Sohnes (My son's storry), 1990
Salman Rushdie, Mitternachtskinder (1981), Scham und Schande (1983), Satanische Verse (1988)
Toni Morrison, Menschenkind (Beloved), 1998
Elizabeth Fox-Genovese, Within the Plantation Household. Black and White Women of the Old South, 1988
Guillermo Gomez-Pena
Pepon Osorio, La Cama, 1987
Allan Sekula, Fish Story, 1995
...



















email: b k b [at] e y e s 2 k . n e t

spam-protection: 1. without spaces 2. change [at] to @