Kunstgeschichte/n verlernen, umlernen, neulernen
#Relevante Kunstwissenschaften #RKW, Teil 2
Donnerstags, 13:30 bis 15:00 Uhr
Beginn: 20. Oktober 2022
Bauhaus-Universität Weimar, Fak. Kunst und Gestaltung
online
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Externes Passwort: 2022-23_Ver-Um-Neu-Lernen
Am Ende unserer Vorlesung "Aktuelle Kunstgeschichte/n" im Wintersemester 2021/22 stand die Erkenntnis, dass wir Kunstgeschichte/n verlernen, umlernen, neulernen müssen. Mit dieser Formulierung nahmen wir Ariella Aïsha Azoulays Vorschlag, zu dem sie in "Potential History. Unlearning Imperialism" (London/New York 2019) ausführt, auf und planten, diesen Gedanken auf die Kunstgeschichte/n zu übertragen.
In diesem Semester wollen wir uns gemeinsam mit ausgewählten Referent*innen den Herausforderungen einer aktuellen, relevanten Kunstgeschichte sowohl inter-, als auch pluridisziplinär nähern: Wir wollen von den Expertisen unserer Gäste sowohl aus der Kunstgeschichte als auch zum Beispiel aus den Umweltwissenschaften, der politischen Theorie, der Architektur, der Biologie, der Demokratie-, Rassismus- und Diversitätsforschung lernen und diese für unser Fach produktiv machen.
Damit nehmen wir die Gründungen und Begründungen der Kunstgeschichte in den Blick und schauen gleichermaßen, wer und was die Kunstgeschichte mit welchen Begründungen zum Beispiel durch ihre Geschichten, Bilder und Tropen erzählt und legitimiert. Sind wir naiv, wenn wir fragen, ob wir die #Kunstgeschichte als #Kunstgeschichten wahrer, richtiger, bedachter und gelungener erzählen könn(t)en, indem wir ihre Historizität, unser Erbe, unsere Verantwortungen und die Nachbarschaftsverhältnisse (und damit sind nicht nur biologische, sondern auch soziale, affektive, politische und wirtschaftliche Umwelten gemeint) berücksichtigen?
Anmerkung: Diese Vorlesung ist nicht nur, aber auch für die Teilnehmenden der Vorlesung "Aktuelle Kunstgeschichte/n" im Wintersemester 2021/22 interessant.
David Vincent Frommhold, Kunstgeschichte, 2022. Zeichnung.
Leistungsnachweis siehe Vorlesungsverzeichnis:
1. regelmäßige und aktive Teilnahme mit 2 Fragen pro Sitzung an unsere Referent*innen, die sich im Themenfeld der Vorlesung aufhalten (mündlich direkt oder schriftlich im Chat)
2. nach vorheriger Absprache: zum Beispiel Kommunikation der Kernthesen der Einzelsitzungen via Twitter oder Instagram #RKW ODER Zeichnungen/Grafiken/Skizzen/Collagen ODER Radiofeatures ODER Fotografien ODER Podcasts ODER Harvests ... zu den Kernthesen (BA: pro Sitzung 2 Tweets/2 Zeichnungen o.ä., Dipl/MA: pro Sitzung 3 Tweets/3 Zeichnungen o.ä.)
--> Bitte laden Sie Ihr Material als .pdf- oder Bild-Datei in den zur Sitzung zugehörigen Ordner @ moodle, mit der folgenden Dateibezeichnung: Nachname-2022-xx-xx.pdf
3. Kompilation von 1.+2. als Dokumentation zum Semesterende. Die Seminararbeit reichen Sie bitte nicht (!) als Papierversion ein, sondern mailen Sie mir bitte als .pdf-Dokument bis zum 31.03.2023.*
4. Ph.D.-Studierende: Stellen Sie bitte Ihre eigene Arbeit in den thematischen Rahmen der Vorlesung oder schreiben einen Aufsatz zu einem Thema der Vorlesung oder zum Vorlesungsthema (ca. 5.000 Wörter). Wenn Sie ebenfalls zeichnen, illustrieren, harvesten ... wollen - please do not hesitate! Seien Sie aber bitte ebenfalls mit Ihren Fragen (1.) dabei.
*Anmerkung:
3. heisst nicht 1. und 2. copy&paste in einem Dokument zusammenfügen (das wäre keine Leistung), sondern 3. als 1.+2., d.h. 3. als eine neue Qualität, die über 1. und 2. bzw. copy&paste hinausgeht, sich dabei aus 1. und 2. erschließt und zu 3. führt.
Bitte nehmen Sie die punktuellen Ergebnisse Ihrer Arbeitsschritte 1 und 2 und stellen Sie diese in den Zusammenhang z.B. einer selbstgestellten These, einer Frage, einer Beobachtung, einer anzuvisierenden, zukünftigen Aufgabe etc., z.B., wie es unter 4. heisst, "zu einem Thema der Vorlesung oder zum Vorlesungsthema".
1. 2. und 3. bzw. 4. sollen bis zum Semesterende (31.3.2023) auf moodle hochgeladen werden, bitte mit der folgenden Dateibezeichnung: Nachname-2023-xx-xx.pdf - gern auch schon früher.
Empfehlungen zum wissenschaftlichen Schreiben >>
Hinweise zum wissenschaftlichen Arbeiten und Abfassen von Seminararbeiten des Instituts für Kunstgeschichte der LMU München >>
Eine Anmerkung:
Bei unserem Semesterprogramm kann es sich nicht um ein vollständiges, repräsentatives, abgeschlossenes Format handeln, sondern hier finden ausgewählte Perspektiven zusammen und werden Lücken gebildet, die wiederum Themafür eine nächste Veranstaltung sein können ...
Ich danke allen Kolleg*innen, dass sie sich bereit erklärt haben, in diesem Rahmen in ihre Forschungen und Perspektiven Einbick zu geben und uns bei unserem Ver-/Um-/Neulernprozess zu unterstützen
20.10.2022: Einführung
Inhaltliches, Organisatorisches, Formales
Kyuhyun Kim: Wie man ohne Verzweiflung an die Existenz von Kunst glaubt, 2022, Zeichnung in 16 Einzelblättern.
Pre-enactment
"term for the artistic anticipation of a political event to come" (S. 177)
"The future society is brought into existence in the very moment in which it is pre-enacted." (S. 186)
Oliver Marchart: Conflictual Aesthetics. Artistic Activism and Public Sphere, Berlin 2019.
A Brief Timeline of Art, Dadara (.eth/.tez) @Dadaratopia, Twitter, 7.7.2022 >>
Quelle: Die Stadt ist unsere Fabrik, Christoph Schäfer, 2010.
Quelle: Die Stadt ist unsere Fabrik, Christoph Schäfer, 2010.
Quelle: Die Stadt ist unsere Fabrik, Christoph Schäfer, 2010.
Quelle: Die Stadt ist unsere Fabrik, Christoph Schäfer, 2010.
Quelle: Die Stadt ist unsere Fabrik, Christoph Schäfer, 2010.
Quelle: Die Stadt ist unsere Fabrik, Christoph Schäfer, 2010.
David Summers 2003: Real Spaces: World Art History and the Rise of Western Modernism, New York.
"HARVEST heisst aus dem Englischen übersetzt ’Ernte’, bezeichnet im ruangru-pa-Wortschatz aber die Dokumentation von Versammlungen und Sitzungen. Die Teilnehmer*innen heissen Harvester. Man kann es auch metaphorisch lesen: ruangrupa bzw. die documenta sät, die Besucher*innen ernten.
Kunstforum 2022, Bd. 283: Glossar zur documenta fifteen >>
Ariella Aïsha Azoulay 2019: Potential History: Unlearning Imperialism, New York.
" [...] [f]or these institutions to be transformed or reformed, [...] is [for] looting [to] be acknowledged as their infrastructure" (143)
"Potential history is not an alternative account of this already historicized world, but rather a deliberate attempt to pulverize the matrix of history, to disavow what was historicized by making repressed potentialities present again within the fabricated phenomenological field of imperial history, present to be continued" (288)
"The point is not giving voice to a silenced past and making the invisible visible but releasing the past from its ’pastness’ and letting it assume the vitality of what has always been there." (350)
they "have the right not to be forever perpetrators, hence the right to stop reproducing imperial violence and partaking in the destruction of our shared world." (569)
Audre Lorde 1984: The Master’s Tools Will Never Dismantle the Master’s House >>
Connecting Museums, Modern Art, Colonialism, and Violence. What role do art institutions play in inequality? Ariella Azoulay’s new book suggests the relationship is not as indirect as many may think, Hrag Vartanian, March 11, 2020, in: Hyperallergic >>
Ariella Aïsha Azoulay: THE NATURAL HISTORY OF RAPE [Die Naturgeschichte der Vergewaltigung], 2017/22 Vintage-Fotografien, Drucke, nicht aufgenommene S/W-Fotografien, Bücher, Essays, Zeitschriften, Zeichnungen, Maße variabel @Berlin Biennale 2022 >>
Revolution and Rehearsal in the Global South: Unlearning the Archive
Ariella Aïsha Azoulay, Sohail Daulatzai, Arash Davari, Mamadou Diallo, Bouchra Khalili, Elleni Centime Zeleke, in: Comparative Studies of South Asia, Africa and the Middle East (2022) 42 (2): 517-530
>>
pdf >>
Einige Fragen:
Was müssen wir in der Kunstgeschichte verlernen? Was können wir nicht verlernen? Was sollten wir nicht verlernen? Wie können wir verlernen?
Wie können wir umlernen?
Was müssen wir neulernen? Wie können wir neulernen?
Wo existieren die Schwierigkeiten dieser Lernprozesse? Und wo existieren (personelle, infrastrukturelle, disziplinäre ...) Unterstützungen hierfür?
Gibt es neben den Lernprozessen des Ver-/Um- und Neulernen weitere, die hier hier nicht benannt sind, die aber ebenso berücksichtigt werden müssen?
Sara Ahmed 2022: "Relevance is not a wish. Relevance is exhausting." >>
#RKW, #RelevanteKunstwissenschaften
1. Twitter-Thread vom 21.10.2021 zu unserer 1. Sitzung der Vorlesung im Wintersemester 2021/22 >>
1/10 #KickOff #RKW #RelevanteKunstwissenschaften: Die Disziplin #Kunstgeschichte kann schon länger plural gedacht werden/hätte schon längst plural gedacht werden müssen/müsste stärker plural gedacht werden. Jeder dieser drei Sätze ist wahr, gemeinsam umreissen sie ein Problemfeld.
2/10 Uns interessieren u.a.: die verleugneten Annahmen und Überzeugungen, die uns davon abhalten, die Narrative, Blicke, Räume und Teilnehmer*innen zu ändern. Uns interessieren auch: die unerzählten und inkompatiblen Erzählungen.
3/10 Inspiriert von #RLW #RelevanteLiteraturwissenschaft und der Frage "Wie wird #Relevanz hergestellt?" (und nicht: Was ist relevant?) wollen wir uns den Be-/Gründungen der #Kunstwissenschaften nähern. Und wir wissen: An die Routinen von Prämissen ranzugehen, ist zumutungsreich.
4/10 #LorrainO’Grady: "Art history is just going to implode." #AndreaFraser: "I think it is finally starting to change [...]" O’Grady: "You think [...] there is a sign of hope for you? I’m happy to hear that."
5/10 Fraser: "Art discourse does that much more than art institutions by defining what is legitimate to talk about, what is legitimate to reflect on, what is legitimate subject matter, how we
engage with art, what we are allowed to think." #LorrainO’Grady #AndreaFraser, 2021 >>
6/10 Unsere Fragen: Warum gilt die Kunstgeschichte als eine anti- oder a-politische, eine entkontextualisierte bzw. entökologisierende Wissenschaft? Wie geht sie mit ihren kolonialen Gründungsprämissen um? Was bringt sie zum Verschwinden?
7/10 Welche Nachkriegserwartungen sind noch immer unerfüllt? Setzt sie sich mit ihren Setzungen und Grenzen auseinander? Was macht sie mit Kunstpraktiken, die nicht in ihre Ordnung passen? Mit #Foucault (1978, 29): "Dem Diskurs die Machtfrage stellen, heißt [...]: wem nützt du?"
8/10 Nell Irvin Painter @PainterNell erinnert uns: "Yeah, we’re working out of an exclusionary tradition." >> und Ariella Aïsha Azoulay @AishaAriella öffnet "Potential History. Unlearning Imperialism", London/New York 2019
9/10 #RKW #RelevanteKunstwissenschaften #AktuelleKunstgeschichten, WiSe 2021/22, montags, 15:15-16:45, @bauhaus_uni, ONLINE via BBB, Zugangsdaten via >>
Hanna Hofmann, Still aus Videoessay zur Vorlesung Aktuelle Kunstgeschichte/n, Wintersemester 2021/22, 2022.
Letzer Twitter-Thread vom 06.02.2022 zu unserer 14. Sitzung der Vorlesung im Wintersemester 2021/22 >>
1/18 Finaler Thread zu unserem #RKW_talk #RelevanteKunstwissenschaften im WiSe 2021/22, @bauhaus_uni, ONLINE via BBB, um die #Kunstgeschichte #plural zu denken: >>
3/18 Im Folgenden ein Überblick unserer zusammenfassenden Threads der #RKW_talks im WiSe 2021/22:
4/18 #RKW_talk #RelevanteKunstwissenschaften mit #edk #EndeDerKunstgeschichte: >>
5/18 #RKW_talk #RelevanteKunstwissenschaften mit @ChristophBalzar: >>
6/18 #RKW_talk #RelevanteKunstwissenschaften mit #IngeborgReichle: >>
7/18 #RKW_talk #RelevanteKunstwissenschaften mit @kerstinschankw1: >>
8/18 #RKW_talk #RelevanteKunstwissenschaften mit @RegineRapp1 @ArtLaboratoryB: >>
9/18 #RKW_talk #RelevanteKunstwissenschaften mit @norasternfeld: >>
10/18 #RKW_talk #RelevanteKunstwissenschaften mit #JuliaAllerstorfer: >>
11/18 #RKW_talk #RelevanteKunstwissenschaften mit #ThorstenSchneider & #WolfgangBrauneis: >> und https://twitter.com/BetriebssystemK/status/1472859553654091777" target="_blank"> >>
12/18 #RKW_talk #RelevanteKunstwissenschaften mit @bildoperationen: >>
13/18 #RKW_talk #RelevanteKunstwissenschaften mit #LeeChichester & @BrigitteSoelch: >>
#AddOn: >> und >>
14/18 #RKW_talk #RelevanteKunstwissenschaften mit #JessicaUllrich: >>
15/18 #RKW_talk #RelevanteKunstwissenschaften mit #BurcuDogramaci: >>
16/18 Danke für die Einblicke in Ihre/Eure Forschungen, liebe Kolleg*innen, danke für die Antworten auf unsere Fragen & danke für die Inspirationen, weiter zu forschen.
17/18 Mit @AishaAriella und "Potential History. Unlearning Imperialism" (London/New York 2019) arbeiten wir mit #RelevanteKunstwissenschaften #RKW jetzt weiter an #UnLearningArtHistory #ReLearningArtHistory #DeLearningArtHistory und #NewLearningArtHistory
18/18 Will be continued: #RelevanteKunstwissenschaften #RKW
Xenia Meierson: RKW, 2021/22, 1 Blatt eines Fanzine.
Xenia Meierson: RKW, 2021/22, 1 Blatt eines Fanzine.
03.11.2022
Epistemologisches, Methodologisches und Genealogisches
Thorsten Schneider
"Nehmt Euch die Freiheit der Wissenschaft, entdeckt was Ihr wollt!"
Kunstgeschichte inter- & transdisziplinär?
Thorsten Schneider ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des interdisziplinären Graduiertenkollegs Kulturen der Kritik der Leuphana Universität Lüneburg. Dort arbeitet er in den letzten Zügen seiner Dissertation zum Thema "Ideologiekritik in der deutschsprachigen Kunstgeschichte um 1968 und ihr Potenzial für eine aktuelle Kunstkritik". Er unterrichtete u. a. an der EVH Bochum und den Kunstakademien Düsseldorf und Münster sowie derzeit an der Münster School of Architecture. 2018 erhielt er das Kuratoren-Stipendium des Landes NRW in Schloss Ringenberg, 2019 das artmagazine-Stipendium für junge Kunstkritiker:innen. Seit 2011 realisiert er Ausstellungen und Kunstprojekte. Als freier Kritiker schreibt er in diversen Formaten und co-produziert die Radiosendung des Institut für Betrachtung (IFB) in Köln >> . Seine Arbeitsschwerpunkte sind Ideologiekritik, Wissenschaftsgeschichte der Nachkriegskunstgeschichte, Cultural Studies, Kritische Theorien, Kunst und Zeitgenossenschaft.
"Aus der allgemeinen Universitätskrise der letzten Jahre entwickelten sich erstmalig nach dem Kriege Ansätze zur Selbstreflexion der Kunstgeschichte als Wissenschaft. Von einer unkritischen, in ihrer Ideologie befangenen und beschränkten Professorenschaft alleingelassen oder massiv bekämpft, gingen diese Impulse bisher von einigen Studenten aus.
Es zeigte sich, dass Kunstgeschichte das exemplarische Beispiel einer reaktionären Wissenschaft darstellt und dass der Widerstand gegen eine neue Fundierung des Faches umso größer war, je unverhohlener die ideologischen Elemente in den Arbeiten der Professoren bloßgelegt wurden.
Effektiv konnten bisher nicht einmal die Ansätze einer kritischen Kunstwissenschaft vermittelt werden - der Schein trügt: Die vermeintlich fortschrittlichen Bestrebungen innerhalb des wissenschaftlichen Apparates, die irrationale Übernahme eines intellektualistischen Vokabulars und 'moderne' Fragestellungen auch auf dieser Tagung (Kunsthsitorikerkongress) sind nichts als der Abklatsch einer Bewegung, die im Kern nicht verstanden wurde." Franz Verspohl, Horst Bredekamp: Zur bürgerlichen Ideologie der Kunstgeschichte, in: Tendenzen, Jg. 11, 1970, Nr. 65, S. 6-10, hier S. 6.
"Die bildende Kunst der Gegenwart ist eine nicht nur intermediale, sondern auch inter- und transdisziplinäre Angelegenheit geworden. Ein reflektierter Umgang mit Wissen sowie eine forschende, analytische, diskursive Haltung sind hier ebenso wichtig geworden, wie die Beherrschung künstlerischer Techniken an der Leinwand oder am Computer (die ihrerseits natürlich gesättigt sind mit explizitem wie implizitem Wissen.) Mehr noch: die aktuelle und akute Verschränkung von analytischen, manuellen, entwerfenden und dokumentierenden skills in der zeitgenössischen Kunst macht alte Unterscheidungen von Kopf und Bauch, wie sie den Kunstdskurs bis heute periodisch heimsuchen, vollends obsolet."
Tom Holert, Kunst und die Politik des Wissens, in: Magdalena Taube, Krystian Woznicki (Hg.), Modell Autodidakt, Berlin 2011, S. 81- 89, hier S. 86.
Auch an den Universitäten in Deutschland fand nach 1945 eine Re-Demokratisierung statt: Diese startete jedoch nicht als eine Stunde 0, sondern es bedurfte eines großen Aufwandes, um die Vorstellung von Wissenschaft neu zu erlernen.
Die Institutionskritik, die m.E. bis heute nicht abgeschlossen ist und stattdessen weitere, neue Probleme mit sich gebracht hat, wurde in den 1960er Jahren maßgeblich von der Kritischen Theorie aka Frankfurter Schule angestoßen. Die Kunstgeschichte hinkte weit hinterher, Innovationen [sic] kamen aus den Sozialwissenschaften und der Soziologie, die sich philosophischen Fragestellungen öffneten und sich als kritische Theorie in eine marxistische Tradition stellten.
Das Problem der nationalsozialistischen Vergangenheit in Bezug auf die Kunstgeschichte ist, das sie unbewältigt geblieben ist: Reformbewegungen haben sich bis heute zu Tode gesiegt oder sind in der Glorifizierung von Einzelereignissen stecken geblieben.
Es existierten einige Öffnungsversuche, z.B. der fast schon mythische Kunsthistoriker-Kongress in Köln 1970, auf dem eine kritische Wissenschaft gegründet werden sollte. Zeitgleich fanden im Kölnischen Kunstverein Fluxushappenings statt, auf denen Inter- und Transsexualität Thema der Kunst waren, wie es in der Kunstgeschichte unvorstellbar gewesen wäre. Ebenfalls zeitgleich: die interdisziplinäre Ausstellungsreihe "Jetzt." in der Kunsthalle Köln, z.B. Arbeiten von Jean Marie Straub, die die deutsche Biederkeit und das verkrustete Nachkriegsdeutschland sehr viel deutlicher in die Kritik nahm, als es in kunsthistorischen Forschung der damaligen Zeit der Fall war.
Künstlerische Impulse, die zu der Zeit aufgenommen hätten werden können, sind erst einmal weitflächig von der akademischen Kunstgeschichte übersehen worden und wurde in dem, was man heute Kunstbetrieb nennt, diskutiert. Künstler*innen, Kurator*innen und Kritiker*innen brachten sie in den Diskurs der universitären Kunstgeschichte ein. Diese Versäumnisse haben bis heute Nachwirkungen.
Der Anspruch auf Transdisziplinarität wird spätestens seit den 1990er Jahren in die Kunstgeschichte, in die verschiedenen Ausprägungen der Kunstgeschichte, in die deutschen Diskussionszusammenhänge als Herausforderung und Erstrebenswertes eingebracht. Gleichzeitig findet immer auch eine Gegenreaktion statt, die eine Zerstreuung und Unschärfe des Methodenapparates bemängelt und die alte Kunstgeschichte, was auch immer das sein mag, bedroht sieht.
Wir können nicht anders, als inter- und transdisziplinär zu denken und zu arbeiten. Andernfalls wäre es nicht möglich, das, was wir heute als zeitgenössische Kunst bzw. Gegenwartskunst diskutieren, überhaupt nur ansatzweise einzuholen. Denn im Zweifel sind Künstler*innen schon zwei, drei Schritte voraus.
Um klarzumachen, warum ich die Frage nach der nationalsozialistischen Vergangenheit mit der Frage nach den Cultural Studies und den postkolonialen Theoriediskussionen in Deutschland verknüpfe: Hito Steyerl hat jüngst im Zusammenhang mit der documenta fifteen die These formuliert - und ich teile sie -, dass es in Deutschland eine starke Tendenz gibt, die Erinnerungskultur und das nationale Erbe gegen die postkolonialen Diskurse auszuspielen. Nur wenn wir die Problemlagen gemeinsame als ein und dasselbe Problem aus zwei unterschiedlichen Richtungen anschauen, nur dann werden wir Lösungen und Perspektiven für die Zukunft finden.
Autor*innen wie Stuart Hall und andere haben gezeigt, wie mit visuellem Material, ohne den Kunstbegriff zu brauchen, gearbeitet werden kann und dass ihre Analysen und Arbeitsweisen an kunsthistorische Fragestellungen anschlussfähig wären. Umgekehrt sind die Aufnahmen der Cultural Studies in die kunstgeschichtlichen Diskussionen noch nicht so intensiv bemüht worden, wie ich es mir wünschen würde. Diese Einführungen in die Kunstgeschichte kommen allenfalls summarisch vor, in der Breite der kunstgeschichtlichen Ausbildung spielen sie keine Rolle.
In Gesprächen mit Kolleg*innen erlebe ich eine Spaltung: die einen, die traditionelle Kunstgeschichte betreiben, sich für Fragen der Inter- und Transdisziplinarität nicht interessieren und in ihrem Arbeitspektrum unterwegs sind. Die anderen, die Inter- und Transdisziplinarität schon längst praktizieren, haben wiederum kein Interesse an der deutschen Kunstgeschichte. Aus einer epistemologischen und institutionskritischen, machtkritischen Position wäre nach dem Warum zu fragen.
Ob ich Kunstgeschichte studiere oder für eine Professur arbeite - ich werde immer wieder damit konfrontiert, was das akademische Bild von Kunstgeschichte ist. Und das kann sehr schmerzvoll sein, weil darin all die Fragen einer politischen Zeitgenossenschaft keinen Platz finden. Um den Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft Rechnung tragen zu können, ist eine Inter-, Trans- und Pluridisziplinarität, egal aus welcher Perspektive, zwingend notwendig. Umgekehrt sage ich auch, dass Fragen der Genderstudies auch in den klassischen Fächern eine Rolle spielen müssen. Bei allen Fragen, bei Einführungsveranstaltungen, Tutorien ... wird immer wieder neu verhandelt, was gewusst und was nicht gewusst wird. Wenn wir alles, was Spaß macht, aus der Kunstgeschichte rausschreiben, überlassen wir den Leuten einen riesigen Machtapparat, die z.B. das Berliner Stadtschluss mitaufbauen ...
Wann ist die Beschäftigung mit der eigenen Gegenwart abgerissen? Das musste erst nach dem 2. Weltkrieg wieder gelernt werden ...
Nur durch diese Arbeit kann ich dem Fach überhaupt noch etwas abgewinnen und es für mich zukunftsfähig machen. Es aufzugeben, wäre die Aufgabe von sehr vielen Gegenständen, sehr vielen politischen Problemlagen, aber auch methodischen Zugriffen, über die die Kunstgeschichte verfügt und produktiv ins Gespräch mit anderen (wer auch immer die anderen sind) einbringen könnte.
Auf der Grundlage von Donna Haraways "situated knowledge" ist es wichtig, sich mit den Gegenden der eigenen Disziplin, Denkweise und Identität auseinanderzusetzen. Da komme ich von der kritischen Theorie: immer die gesellschaftlichen Verstrickungen einbringen, voraussetzen, immer involviert zu sein, sich nicht auf eine Neutralität zurückziehen.
Mir sind die Ansätze von Spivak, Hall und Gilroy wichtig, die sagen, dass wir nicht hinter uns lassen, sondern aus den Verletzungen, Widersprüchen und Gewalttätigkeiten der Vergangenheit lernen, um im Blick zu halten, was man selbst bzw. was ich mit meiner eigenen Praxis weiter tue. Mir sind die Ansätze näher, die versuchen, aufzugreifen und zu verwandeln. Deswegen schließe ich aber Positionen wie von Ahmed u.a. nicht aus, die versuchen, nicht mehr ’alte weisse Männer’ zu zitieren, sondern diejenigen, die auf der Seite der Emanzipation stehen oder noch zu wenig zitiert wurden. Das halte ich ebenfalls für sehr gute Ansätze. Einen von beiden als universelle Lösung darzustellen, wäre für mich keine Lösung, da plädiere ich für Austausch und Fehlbarkeit.
Kunst, Theater, Kultur, Subkulturen ... sind Teil symbolischer Ordnungen und Teil von Aushandlungsprozessen. Daher ist es wichtig, sie ernst zu nehmen. Denn Kunstproduktion sollte immer auch die Freiheit sein auszuprobieren und zu testen, gleichzeitig sollten sie aber auch nicht so ernst genommen werden, darin schon fertige Lösungen für Probleme finden zu können, die dringend gebraucht werden.
Privilegien sind etwas zweischneidiges: man kann sie einsetzen oder man kann sich draufsetzen. Manche Privilegien wird man auch nicht los, wie man auch Beschränkungen nicht los wird, im eigenen Denken, in der eigenen ökonomischen Basis.
Anh-Linh Ngo ist Architekt, Architekturtheoretiker, Mitherausgeber und Chefredakteur der ARCH+.
Er ist Mitinitiator und (Ko-) Kurator zahlreicher Ausstellungs- und Forschungsprojekte wie "projekt bauhaus", das sich von 2015-2019 mit den Ideen des Bauhaus auseinandersetzte, wie "An Atlas of Commoning: Orte des Gemeinschaftens" im Kunstraum Bethanien (ifa, 2018), "1989-2019 - Politik des Raums im Neuen Berlin" im Neuen Berliner Kunstverein und "Cohabitation: Solidarität von Tieren und Menschen im Stadtraum" im silent green Berlin (2021).
Anh-Linh Ngo ist Kuratoriumsmitglied der IBA 2027 StadtRegion Stuttgart, der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart und des Goethe-Instituts (Bildung und Diskurse), seit 2022 ist er Mitglied der Akademie der Künste Berlin, Sektion Baukunst. 2023 wird er im Team an der Akademie der Künste Berlin das Ausstellungs- und Publikationsprojekt "Die große Reparatur" kuratieren. Ebenfalls 2023 wird Anh-Linh Ngo zusammen mit ARCH+ und den Architekturbüros Summacumfemmer und Büro Juliane Greb den Deutschen Pavillon auf der 18. Architekturbiennale kuratieren.
Die Reparatur eignet sich als ein neues Paradigma, da es uns erlaubt, die Disziplinen neu zu denken.
Wie können wir zu einem neuen Gesellschaftsbild kommen? Mit dem Begriff der Reparturgesellschaft, eingeführt von Wilfried Lipp zu Beginn der 1990er Jahre, bewegen wir uns weg von den Narrativen der Informations- oder Konsumgesellschaft hin zu einer anderen Idee des Gesellschaftlichen: zu der Reparatur dessen, was schon existiert.
Reparatur ist keine nahtlose Wiederherstellung eines früheren und vermeintlich ganzheitlichen, final erreichbaren Ideal- oder Originalzustands: Es handelt sich um eine Praxis der Anerkennung des Schadens, die auf Aneignung, Zusammenfügung und Improvisation setzt. Dabei wird das saubere Image und die klare Trennung der Moderne in Frage gestellt.
Reparatur ist ein prozessualer, immer wieder stattfindender Aushandlungsprozess und ein sozialer Akt.
Sechs Ethiken prägen das neue Paradima der Reparatur: Suffizienz (Sufficiency), Langlebigkeit (Longevity), Solidarität (Solidarity), Wiederaneingung (Reappropriation), Pluralität (Plurality), Pflege (Care).
Zu Suffizienz: Wir müssen uns der eigenen Wissensbestände vergewissern, sie in einen neuen Kontext stellen und neu denken. Die Menschheit muss mit weniger auskommen, wir dürfen nicht mit Hilfe des Fortschritts immer mehr produzieren, sondern müssen einen sorgsamen Umgang praktizieren mit dem, was bereits existiert. Der soziale Aspekt muss dabei mitberücksichtigt werden, das heisst, es handelt sich auch um eine Frage der Umverteilung.
Zu Wiederaneingung: Die terrritoriale und kulturelle koloniale Gewalt ist eine der unabdingbaren Vorausetzung für die Produktion der "Cheap Nature". Wir müssen die Wiederaneingung des Entwendeten und Entwerteten berücksichtigen. Dabei handelt es sich um Orte, Objekte, Territorien, kulturelle Praktiken und Episteme.
Zu Pluralität bzw. Pluriversität: Die Reparatur problematisiert die Einseitigkeit der technowissenschaftlichen Rationalität und strebt nach Pluralität. Sie verfolgt einen dekolonialen Ansatz in der Wissensproduktion und öffnet sich für verschiedene Wissenssysteme und Praktiken, die durch den Kolonialismus verdrängt wurden. Dabei handelt es sich um Praktiken, die auf indigenes, handwerkliches, Bricoleurhaftes Wissen basieren, mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen Probleme lösen, dabei die Expertenposition in Frage stellen und die Akteurskonstellation verändern. Statt auf Neuheit und individuelle Urheberschaft setzt das plurale Denken auf kollaborative Fomen der Wissensproduktion und Selbstermächtigung.
Zu Pflege: Es geht um die Frage, wie wir Pflege (Care) neu denken können und müssen. Prozesse der Pflege, Wartung und Instandhaltung, die in der Raum- und Architekturpraxis ausgeblendet werden, werden nun verkehrt und ins Zentrum gestellt. Diese Praktiken brauchen wir in Zukunft und müssen sie daher neu bewerten. Dies betrifft nicht nur die gebaute Umwelt, sondern die größere Umwelt als unsere Lebensräume: Who takes care of whom?
Die Praxen des Reparierens müssen verstärkt diskutiert werden. Dabei handelt es sich um:
Repairing by Doing Nothing
Repairing Modernist Legacies
Repair Against Demolition
Repairing by Decarbonizing and Localizing the Supply Chain
Repair as Social Act.
Die Praxis des Reparierens ist auch im Umgang mit der Disziplin Architektur sinnvoll. Hierbei handelt es sich um die Autorrepair-Praxis, die eigene Reparatur. Denn die Architektur als Disziplin hat die Ausbeutungslogik der kapitalistischen Produktion verinnerlicht, sowohl in Bezug auf ihre Arbeitsobjekte wie Gebäude, Städte, Landschaften und Territorien, als auch auf ihre Arbeitssubjekte, die Architekten und Stadtplaner.
Zum Beispiel muss gefragt werden, wie Architekturarbeit zu bewerten ist: Architektur wurde als kreative Disziplin verklärt, der Beruf wurde als Berufung verklärt und diese Verklärung führte zu Ausbeutungsverhältnissen. Nicht nur die Frage, wie wir Architektur praktizieren, sondern auch, wie wir die eigene Arbeit als einen sozialen Akt gestalten, muss unter dem Aspekt der Reparatur zur Debatte gestellt werden. Das heisst zum Beispiel: Repairing the Office! Repairing the Curriculum!
Frage der Lehre sind zu diskutieren: Welches Ideal wird in der Lehre vermittelt und wie können wir Wissensproduktion, Wissensvermittlung oder auch Kritik anders handhaben?
Architektur ist nicht als ein fertiges Produkt anzusehen, sondern als ein Archiv von Reparaturarbeiten zu begreifen, als Ansammlungen und Schichtungen, die die Dimension der Zeit mitdenken.
Seit zwei Jahrzehnten geht es vielfach um diese Fragen: Welche Daseinsberechtigung hat die Architektur heutzutage und wie können wir sie vor dem Hintergrund der Veränderung neu denken und reparieren? Auch die Frage nach den Institutionen und Instrumenten ist zentral, da sich neu erfundene Formate ansonsten nicht verstetigen. Hierfür bedarf es neuer institutioneller Einrichtungen und Instrumente.
- Wie sehen die Verstrickungen der Kunstgeschichte (z.B. mit sozialen Ungerechtigkeiten oder dem menschengemachten Klimawandel) aus?
- Wie ist die Kunstgeschichte hieran beteiligt, indem sie z.B. epistemische Ungerechtigkeiten erzählt, tradiert, etabliert, reproduziert, indem sie große Gemälde großer Meister in großen Hallen mit großer Geste präsentiert?
- Welche Ideale werden erzählt und vermittelt?
- Welche Verklärungen finden statt? Wie, durch wen, gegen wen?
- Wie geht die Kunstgeschichte mit Zeit um?
- Welche Prämissen, Paradigmen, Ethiken, Grenzziehungen werden eingesetzt?
- Finden Entmystifizierungen und Dezentralisierungen statt? Finden sie ausreichend statt?
- Kann eine Wissens- und Rahmenerneuerung stattfinden, wenn ja, warum, wie und durch wen, wenn nicht, warum nicht?
- Kann eine Reparatur stattfinden, eine Praxis des Reparierens, und wenn ja, wie, von was, durch wen?
- Wie sehen die Schnittstellen zu aktuellen politischen Situationen aus?
- Welche Instrumente werden von wem und zu welchem Zweck eingesetzt?
- Welche Institutionsfragen sind zu stellen und zwar im Hinblick auf eine Verstetigung von Praktiken?
- Welche neuen Formate können erfunden werden?
- ...
17.11.2022
Biologie und Gender
Heinz-Jürgen Voß ist Biologe und Sozialwissenschaftler und hat an der Hochschule Merseburg >> die Professur für Sexualwissenschaft und sexuelle Bildung inne. In seiner Publikation Making Sex Revisited (2010) setzt er sich mit Geschlechtertheorien und Geschlechterkonstruktionen in Biologie und Medizin von der Antike bis zur Gegenwart auseinander. Seine Publikation Geschlecht. Wider die Natürlichkeit (2011) ist eine Einführung in die Geschlechterforschung. Im Mittelpunkt seiner Forschung steht die Dekonstruktion der scheinbar eindeutigen Bestimmung des Geschlechts durch Gene und Chromosomen: "Ein Denken von Entwicklung, eine Betonung von Entwicklungsprozessen geht ab von wenigen kleinen vorbestimmenden Einheiten. Vielmehr wird es notwendig, den gesamten Organismus und dessen Wechselwirkungen mit der Umwelt zu betrachten. [...] ’Gene’, DNA sagen eben nicht die Entwicklung eines Organismus bzw. hier eines ’Genitaltraktes’ voraus. Vielmehr stellen sie lediglich einen Faktor im komplexen Zusammenspiel von Faktoren der Zelle dar."
Trans*, Inter* und geschlechtliche Non-Binarität für Curricula: Markt der Möglichkeiten >>
alphabetisch sortierter Überblick ¨ber relevante Organisationen und Inhalte, die grundlegend für die Fortentwicklung von Curricula von Aus-, Fort- und Weiterbildung im Hinblick auf die Themenfelder Trans*, Inter* und Non-Binarität sind. Die Auswahl erfolgte durch das Organisationsteam der Hochschule Merseburg (verantwortliche Leitung: Prof. Dr. Heinz-Jürgen Voß)
Heinz-Jürgen Voß 2022: Nur zwei Geschlechter? Zur Dekonstruktion des Geschlechts in der Biologie >>
Heinz-Jürgen Voß 2022: Die vielen Geschlechter der Biologie >>
WDR: Junge oder Mädchen? Warum es mehr als zwei Geschlechter gibt?, 2018 >>
zwischen min 5:19 und 9:58
Beyond XX and XY: The Extraordinary Complexity of Sex Determination
twitter: @sirens_dream, 7.11.2022 >>
Pitch Interactive and Amanda Montañez; Source: Research by Amanda Hobbs; Expert review by Amy Wisniewski University of Oklahoma Health Sciences Center, Sept. 1, 2017 >>
SPECIAL ISSUE: Proximities: Reading with Judith Butler (Edited by Debarati Sanyal, Mario Telo, Damon Ross Young), Volume 158, Issue 1, Spring 2022 >>
Themenheft II der Kuntchronik: Kunstgeschichten und ihre Akteure,
75. Jahrgang / Heft 8 / August 2022
>>
Preisverleihung Deutscher Buchpreis 2022 an Kim de l’Horizon "Blutbuch", hier: 45:35 bis 58:00
Es ist reizvoll, dass in der deutschen Sprache die begriffliche Unterscheidung zwischen sex (biologisches Geschlecht) und gender (gesellschaftliches Geschlecht) nicht existiert.
Wir stellen fest, dass die Biologie mit ihrem Blick auf physiologische und physische Merkmale diese darüber erst herstellt.
Wir müssen eine gesellschaftliche Einwirkung auf die Biologie in den Blick nehmen, z.B. die stereotypen Vorstellung, dass es nur weiblich und nur männlich gäbe. Das ist eine Vorannahme, die Perspektiven in der Forschung verstellen kann.
Das Ringen der Stellung der Geschlechter ist zentral in der Gesellschaft, das sich auch in den Wissenschaften zeigt: Um 1800 findet der grundlegende Ausschluss von Frauen aus Akademien und dem Wissenschaftsbetrieb statt. Um 1750 konnten Frauen noch wissenschaftlich tätig sein, so waren 25% der Mathematiker*innen und 20% der Astronom*innen Frauen. Zentrales Motiv ihres Ausschlusses war die "Natürlichkeit". Frauen seien grundsätzlich nicht in der Lage, dieses und jenes zu tun, ähnliches zeigte sich in Bezug auf Klasse: das Proletariat sei nicht in der Lage, dieses oder jenes auszuüben.
In der Entwicklungsbiologie existieren unterschiedliche Diskussionsstränge, einer, dass der Embryo das Potential hat, sich in jegliche Richtung zu entwickeln, ein anderer, dass jeder Mensch Zeit seines Lebens weiblich oder männlich bleibt. Hier existiert eine lange Traditionsgeschichte, zu diskutieren wäre, warum solche Stränge auslaufen.
Die Themen Judith Butlers und die Diskussionen der Queer Theory sind schon bei Christine de Pizan zu finden. Im Rückgriff auf Simone de Beauvoir lässt sich sagen, dass, nur weil es aktuell in der Gesellschaft Frauen, Trans und Inter gibt, es nicht immer so sein muss. Vielmehr ist es unsere gesellschaftliche Entscheidung: Wir bestimmen das Geschlechterverhältnis, wir erkennen bestimmte Merkmale in einer Weise als geschlechtliche an und sehen von anderen ab.
In der Embryonalentwicklung hat jeder Embryo das Potential, sich in jegliche geschlechtliche Richtung zu entwickeln. Erst in den Differenzierungswegen kann sich ein Genitaltrakt mehr oder weniger deutlich herausbilden, typisch männlich, typisch weiblich oder eine Zwischenform. Es handelt sich eher um ein Kontinuum mit vielen Einflussfaktoren.
Zunächst haben wir eine indifferente Ausprägung des Genitaltraktes, hier ist alles angelegt, hier sind alle Potentiale vorhanden, die sich dann weiter differenziert, entweder in eine als männlich betrachtete Richtung, wenn der Müllersche Kern zurückgebildet wird, aber noch in Ansätzen vorhanden ist oder in eine als weiblich betrachtete Richtung, wenn der Wolffsche Gang zurückgebildet wird und ebenfalls in Ansätzen erhalten bleiben kann. In der Entwicklung können viele Einflüsse einwirken, so dass es keineswegs ausgemacht ist, dass es eine binäre Aufteilung geben muss.
Damit sich ein bestimmtes Erscheinungsbild des Genitals ausbilden kann, finden verschiedene Schritte statt. Es zeigt sich, wie wenige Faktoren bekannt, wie viele angenommen werden, das heisst, wie ungenau das Bild der Biologie ist. Die Wissenschaft weiss gar nicht genau, wie Geschlechtsentwicklung oder die des Genitaltraktes stattfindet, sondern sie hat mehr oder weniger überzeugende Theorien.
Es ist wichtig, die stereotypen gesellschaftlichen Vorstellungen von Geschlecht beiseite zu lassen und vorurteilsfrei den Entwicklungsweg und die unterschiedlichen, wirksamen Faktoren darin anzuschauen. Wahrscheinlich sind etwa 1000 Gene für die Ausbildung des Genitaltraktes bedeutsam, zu 80 haben wir wenige Befunde, die durchaus widersprüchlich sind, zu den anderen über 900 wissen wir quasi noch nichts.
Das Bild, dass eine Biologie sicher wissen würde, wie Geschlechtsentwicklung stattfinde, stimmt so nicht. Im biologischen Kontext selbst ist das allen Beteiligten klar.
Wir müssen einerseits vereinfacht ausdrücken und vermitteln, wir müssen aber andererseits die Komplexität aufrecht erhalten, sonst kommen wir in ein falsches Denken.
Unseren zweidimensionale Blick müssen wir um den Entwicklungsprozess erweitern: Welche Prozesswege finden statt, damit am Ende auf Basis eines Genoms ein Genital entsteht? Es sind viele Faktoren zu berücksichtigen: Transkription, Posttranskriptionale Modifikation, Translation, Posttranslationale Modifikation. Es finden in einer Zelle komplex regulierte Prozesse statt, die auswählen, was herausgeschnitten, neu zusammengesetzt, verlängert, gefaltet und/oder in eine räumliche Struktur überführt wird, damit eine Wirkung überhaupt erst entfaltet werden kann. Es handelt sich um viele Prozesse mit vielen beteiligten Faktoren, damit eine Information aus einer DNA-Sequenz entstehen kann.
1,7% des Bevölkerungsteils muss als intergeschlechtlich eingeordnet werden. Viele Formen von Intergeschlechtlichkeit werden nicht bei Geburt, sondern im weiteren Lebensweg erkannt. Geschlechtszuweisende und geschlechtsvereindeutigende Eingriffe im Kindesalter sind komplikationsreich, nahezu immer treten schwere und schwerste Komplikationen auf. Im frühen Säuglingsalter bis zum 2., spätestens 4. Lebensjahr soll ein möglichst typisches Erscheinungsbild des Genitals hergestellt werden, in etwa 95% wurde ein als weiblich betrachtetes Genital hergestellt, weil das als einfacher machbarer galt. Hier ist die Männerdominanz in der Betrachtung erkennbar. Seit 2021 haben wir ein prinzipielles Verbot geschlechtzuweisender und geschlechtseindeutigender Eingriffe bei intergeschlechtlichen Minderjährigen. In diesem Themenfeld gibt es viel zu tun.
Vielfalt und Vielzahl von Faktoren spielen eine große Rolle. Allein, dass wir die Geschlechtschromosomen zentral setzen, führt in die Irre. Aus einer evolutionsbiologische Sicht kommen wir damit nicht weit.
Es geht nicht um ein Entgegendenken, wir müssen alles zusammen denken und schauen, was es macht, dass wir einzelne Organsysteme, die eigentlich ähnlich sind (wie z.B. Klitoris und Penis), wegen ihrer unterschiedlichen Begriffe unterschiedlich denken - bis dahin, dass in vielen Schulbüchern die Klitoris gar nicht auftauchte und einfach weggelassen wurde. Deshalb muss zusammen gedacht werden. Dann können wir sex als biologisches Geschlecht auch im Kontext eines gesellschaftlichen Herstellungsprozesses verstehen.
Erst im Anschluss an eine feministische Naturwissenschaftskritik 1986 wurden die Eierstöcke zu einem Untersuchungsgegenstand der Biologie.
Nach 1945 wurden Perspektiven der Geschlechterwandlung und -mischung nicht wieder aufgenommen, nachdem sie 1933 durch einen von den Nationalsozialisten vorgenommenen Runderlass zur Sexualpädagogik ausgelöscht werden sollten und wurden. Die Entwicklungen konnten sowohl in der BRD und Westberlin als auch in der DDR gesehen werden.
Es existieren zwei unterschiedliche Denkweisen: Machen wir die Norm auf, stellen sie fest und lockern sie dann - oder machen wir es am Anfang offener. Das ist auch aktuell eine gesellschaftlich wichtige Entscheidung.
Einige Erkenntnisse aus dieser Sitzung:
- Wie ist die Kunstgeschichte am gesellschaftlichen Herstellungsprozess von Zweigeschlechtlichkeit beteiligt?
- Wie nimmt sie die Naturalisierung von Geschlechtern vor?
- Ist sie selbst als ein Effekt von Heteronormativ zu begreifen, indem sie auf Heteronormativen aufsetzt und mit ihnen verwickelt ist?
- Wie geht die Kunstgeschichte mit dem Kontinuum von Geschlechtsbildung um?
- Wie erzählt die Kunstgeschichte die indifferente, prozessuale Ausbildung von Geschlechtlichkeit und deren Fluidität?
- Wie geht die Kunstgeschichte im Einsatz der von ihr präferierten Medien und Logiken mit Komplexitäten, Dynamiken und Mehrdeutigkeiten um?
- In welchem Verhältnis stehen die kunsthistorisch kanonisierten Medien und das Kontinuum von Geschlechtsentwicklungen?
- Ist die Priorisierung und Kanonbildung von bestimmten Motiven, Idealvorstellungen und Blicken durch die Kunstgeschichte eine Technik, um Instabilitäten in den Griff zu kriegen, um Stabilitäten im Zustand des Instabilen herzustellen?
- Sind so auch die Marginalisierungen oder auch Ausschlüsse bestimmter künstlerischer Gattungen und Techniken, die Vereindeutigungen verhindern, zu verstehen?
- Was teilt das über die Beteiligung der Kunstgeschichte an den Herrschaftsverhältnissen mit?
- Welche anderen Perspektiven werden warum, wie, durch wen und zu welchem Zweck ausgelöscht? (zum Beispiel die Darstellung von Personen am Kreuz wie Jesus oder andere als männlich gelesene Personen mit laktierenden Brüsten)
- Welche Geschichte/n werden fortgeschrieben, welche ausgeschlossen, welche nicht erzählt, welche priorisiert?
- Welchen Re-Präsentanzen werden Vorschub geleistet?
- Welche Blicke werden hergestellt und welche unterdrückt?
- Welche Motive finden statt, welche nicht und welche Idealtypisierungen werden damit in Gang gesetzt?
- Wie kann das (Geschlechts-) Kontinuum als Prozess gedacht in der Kunstgeschichte rekonzipiert werden?
- Hinweis auf Kathrin Peters: Rätselbilder des Geschlechts. Körperwissen und Medialität um 1900 (2010): "Innerhalb der Prozeduren, mittels derer um 1900 bestimmt werden sollte, was das Geschlecht ist und wie es sich zeigt, wurden zahllose Bilder in Umlauf gesetzt." >>
- Was wäre zu verlernen?: Binaritäten, Wissenschaftspositivismus, Fixiertheiten
- Was wäre umzulernen?: Zweidimensionale Blicke, stereotype Vorstellungen, Kanon, Natürlichkeitsidee
- Was wäre neuzulernen?: Umgang mit Komplexitäten, Dynamiken und Mehrdeutigkeiten, mit Instabilitäten und Kontinua, Prozessualitäten, Historizitäten, Defizite der eigenen Theoriebildungen, Selbstverständnisse
Katharina Klappheck M.A.: Ist behinderte Politikwissenschaftler*in. They beschäftigt sich mit Behinderung, Queernes und KI, sowie Design als Politik. Katharina Klappheck arbeitete hierzu unter anderem an der Technischen Universität Dresden und dem deutschen Bundestag. Momentan ist Katharina Klappheck Head of Feminist Internet Policy am Gunda Werner Institut der Heinrich Böll Stiftung. Dort baut They momentan ein Crippled Low-Tech Lab. auf.
Weitere Themen von Katharina Klappheck >>
Queering the Crip, Cripping the Queer
Eine Ausstellung zu Geschichte, Kultur und Aktivismus von Querness & Behinderung
2.9.2022 - 30.1.2023
Schwules Museum Berlin >>
Anajara Amarante, Mel Baggs, Pelenakeke Brown, Claire Cunningham, TJ Cuthand, Justin LeBlanc, Riva Lehrer, Charles Ryan Long, Ono Ludwig, Rita Mazza, Perel, Brontez Purnell, Sindri Runudde, SchwarzRund, Steven Solbrig, Joey Solomon, Dirk Sorge, Elizabeth Sweeney, RA Walden, Syrus Marcus Ware, Kah Mendoza, Weethee, Quintan Ana Wikswo, Quiplash, Lorenza Böttner, Raimund Hoghe, Audre Lorde
10 Grundsätze der Disability Justice, Sins Invalid 2015 >>
Intersektionalität, Führung der am meinsten Betroffenen, Antikapitalistische Politik, Engagement für übergreifende Organisation, Anerkennung der Ganzheit, Nachhaltigkeit, Engagement für Solidarität mit allen behinderten Menschen, Interdependenz, Kollektive Zugänglichkeit, Kollektive Befreiung
Interview featuring Give Me a Reason to Live, 2016, created and performed by Claire Cunningham,
video: 4:26, light design: Karsten Tinapp, sound design: Zoë Irvine, cello: Matthias Herrmann, video courtesy of Perth Festivals, Westaustralien
Raimund Hoghe, Swan Lake excerpt, 2008,
video: 2:46, courtesy of Numeridanse and the estate of Raimund Hoghe, courtesy of Rosa Frank
Syrus Marcus Ware, Ancestors, Can You Read Us? (Dispatches from the Future), 2019,
multi-channel video: 3:16, courtesy of the artist
Queerness in Photography
17. Sep 2022 - 18. Jan 2023
c/o Berlin >>
- Under Cover. A Secret History of Cross-Dressers. Sébastien Lifshitz Collection
- Casa Susanna. Cindy Sherman Collection
- Orlando. Curated By Tilda Swinton
IMAG(IN)ING QUEER UTOPIAS >>
Panel Discussion + Performances von House of Living Colors
Sa, 14. Jan - So, 15. Jan 2023
Margaret Middleton 2020: Queer Possibility, Journal of Museum Education, 45:4, 426-436 >>
Margaret Middleton >> 2022: Looking for Queer Possibiltiy in the Museum. a guide to help you make queer connections in museums and record your queer experiences >>
Visual Essay: There’s Something Wrong with My House?, Bridget Moser, Nov. 22, 2022 >>
- Wie tragen die Kunst und die Kunstgeschichte zur Konstruktion normativer Kultur bei?
- Welche Komplizenschaft geht die Kunstgeschichte mit Ableismus ein? Wie, über welche Motive, Blicke, Geschichte finden Hierarchisierungen und Herabwürdigungen statt?
- Wie wird Behinderung historisch und kulturell hergestellt? Und welchen Anteil hat hieran die Kunstgeschichte?
- Welche Visualisierungen von Körper/n finden statt?
- Welche Phantasmen, Stereotype und Ideologien eines idealen Normkörpers kanonisiert die Kunstgeschichte? Welche anderen Körper und Geschichten erzählt sie nicht?
- Wie, von wem und mit welchem Ergebnis praktiziert die Kunstgeschichte ein Othering, eine Alterisierung?
- Wie performiert die Kunstgeschichte mittels Distanzierung die Zugehörigkeit zu einer Eigengruppe?
- Wie werden Künstler*innen mit Behinderung und chronischen Krankheiten strukturell ausgegrenzt?
- Wie ist die Kunstgeschichte von Normativitäten durchdrungen und wie stellt die Kunstgeschichte Normativitäten her? Auf welchen Ebenen agiert sie dabei (z.B. auf der Ebene der Wahrnehmung, der Denk-/Bilder und auf der Ebene epistemischer Ungerechtigkeiten?)?
- Wie bekräftigt die Kunstgeschichte Normativitäten und wie ist sie selbst Effekt von Normativitäten?
- Wie finden Unterwanderungen von Normativitäten durch künstlerische Praxen statt?
- Wie nimmt die Kunstgeschichte epistemische Abwertungen vor? Wie, was, für wen, gegen wen und wozu stereotypisiert sie? Welche normativen Denkbilder entwirft sie?
- Wie steht es um die Barrierearmut und -freiheit der Kunstgeschichte im Allgemeinen und z.B. von Museen im Besonderen? Wie steht es um Inklusionen?
- Verstösst die Kunstgeschichte gegen die Menschenrechte?
Weitere Themen:
- Hacks als tools
- Hacks als Widerständigkeiten und damit als kritische Praktiken
- Differenz zwischen Medien und tools
- Vorteil von tools im Vergleich zu Medien (insbes. zu statischen Medien)
- Verhandlung von Repräsentanzfragen im Unterschied zu Fragen der Produktionsverhältnisse
Diese Sitzung findet wegen des Zeitzonenwechsels um 16:30 Uhr statt.
Nana Adusei-Poku ist Assistenzprofessorin für African Diasporic Art History im Department of History of Art an der University of California Berkeley >> . Zuvor war sie Associate Professor und Luma Foundation Fellow am Center for Curatorial Studies, Bard College, Annandale-on-Hudson, New York (2019-2022), und Gastprofessorin f¨r African Diasporic Art History an der Cooper Union for the Advancement of Science and Art in New York (2018-2019). Sie war ausserdem Forschungsprofessorin für kulturelle Vielfalt (2013-2014) und anschließend für visuelle Kulturen (2015-2017) an der Hogeschool Rotterdam mit Anbindung an das Piet Zwart Institute und die Willem de Kooning Academy sowie Gastdozentin für Medienkunst und Master Fine Arts an der Zürcher Hochschule der Künste (2012-2018). Sie promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Arbeit über post-black art im Rahmen des Graduiertenprogramms Gender als Wissenskategorie, nachdem sie an der Humboldt-Universität Afrikastudien und Gender Studies sowie am Goldsmiths College, University of London, Medien und Kommunikation studiert hat.
Bei Black Melancholia handelt es sich um ein größeres Forschungs- und Ausstellungsprojekt von Nana Adusei-Poku (Department of History of Art, Berkeley University). Als Black Melancholia bezeichnet sie eine Form der tiefen kollektiven Traurigkeit und Trauer inmitten des langwährenden und anhaltenden Regimes Anti-Schwarzseins. Nana Adusei-Pokus geht von der These aus, dass uns mit der Denkfigur der Black Melancholia eine epistemologische Ausgangslage für eine kritische Auseinandersetzung mit Künstler*innen und ihren Arbeiten vorliegt, die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zu beobachten ist. Black Melancholia kann dabei sowohl als eine Form der Kritik als auch ein Raum für Inspiration und Trost verstanden werden: als kritische Praxis hält sie Brüche offen und verhindert einen puren ästhetischen Genuss; als Raum der Trauer ist sie eine Zuflucht in einen stillen Diskurs und in innere Gespräche, hier können Traumata und Schmerzen thematisiert werden. Obwohl Black Melancholia (noch) nicht Teil der kunsthistorischen Debatte ist, ist sie, so Nana Adusei-Poku präsent und verdeutlicht dies anhand der künstlerischen Arbeiten u. a. von Augusta Savage, Lorna Simpson, Charisse Pearlina Weston, Charles White, and Alberta Whittle.
Nana Adusei-Poku 2022: Reshaping The Field: Art of the African Diasporas on Display >>
Nana Adusei-Poku 2021: Taking Stakes in the Unknown. Tracing Post-Black Art, Bielefeld >>
"African diaspora art history explores the role of art, visual culture, and visuality in African diasporic cultures. It examines in part the visual representations, tropes, technologies, and practices through which diverse internally differentiated groups of people of African descent came to see, understand, and represent themselves as connected to each other or as sharing cultural expressions, religious practices, political views, experiences and conditions, pasts, or imagined futures. Art does not simply illustrate these efforts, but has been an intrinsic part of the ongoing processes through which diverse individuals and groups, under distinct social conditions, forge and express a sense of diasporic belonging.
[...] African diaspora art history is concerned with the multiplicity of identities that constitute diasporas (and that trouble their constitution), the ever-changing and historical ways that subjects in the diaspora see, see themselves, and are seen, and the conditions of visibility and invisibility in and beyond the art world - from modernization and modernism to multiculturalism and post-blackness - that inform the work, interpretation, circulation, and practice of art in the African diaspora more broadly."
Thompson, Krista. "A Sidelong Glance: The Practice of African Diaspora Art History in the United States." Art Journal 70, no. 3 (2011): 6-31. p. 9-10.
Frantz Fanon 1952/1967: Black Skin, White Masks
ders. 1961: The Wretched of the Earth
Gayatri Spivak 1988: Can the Subaltern Speak? >>
Stuart Hall 1997: The Spectacle of the ’Other’ >>
Saidiya Hartman 2019: Wayward Lives, Beautiful Experiments: Intimate Histories of Social Upheaval, New York.
Jeannette Ehlers, Until the Lion, 2021. Neon, dimensions variable. Image courtesy of the artist. Photo by David Stjernholm. Source >>
Was wäre zu verlernen?:
Kontextlosigkeiten
Unan- und Uneingebundenheiten
Simplifizierungen von Geschichte
fehlende Links z.B. zwischen Warenkultur, Objektifizierung, Ausstellungsgeschichte, Kultur des Geschmacks und der Sklaverei.
Was wäre umzulernen?:
nationale Blicke in kosmopolitische Blicke
Aspekte der visuellen Repräsentationen
Tokenism (nur symbolische Anstrengungen z.B. von Gleichstellungen im Bereich der Diversitätsarbeit)
systemische Auslöschungen mitzuberücksichtigen statt zu deckeln (denn wir haben nur das Material, was wir haben)
Lack of Material und Leerstellen als Information begreifen und nicht als zu heilendes Defizit, d.h. Leerstellen anerkennen.
Was wäre neuzulernen?:
Longue Durée von Ungerechtigkeiten, von Unausgebildetheiten und Unsichtbarkeiten des Existierenden
zeitliche Verzögerungen, die epistemologisch in das System eingebaut sind
Verstrickungen von Kunst/Künstler*innen in Biografien, politischen Ereignissen und sozialgesellschaftlichen Klimata
systemische und systematische Ausschlüsse
Auslassungen im System, im Diskurs, im Curriculum
Themen wie Black Art, Post Black Art, African Art, African Diasporic Art, die aufeinander aufbauen, denn es ist keine Post Black Art möglich, wenn Black Art im Wissenssystem noch nicht etabliert wurde, d.h. diese Themen müssen Teil des universitären Curriculum werden
Rückschläge durch systemische Prozesse registrieren und anerkennen
Was wird als Kulturgut anerkannt und was nicht?
Systemische Gewalt anerkennen, z.B. bzgl. Blackness
Kunstgeschichte braucht Disruptionen
Empowerment
With Charlotte Matter, Laura Valterio, Virginia Marano, Universität Zürich, Kunsthistorisches Institut >>
Virginia Marano is a doctoral candidate in Art History at the University of Zurich. Her thesis focuses on the aesthetic of dislocation in the works of Jewish women sculptors in Post-war New York, previously assimilated to feminism but not yet connected to the question of exile. She is currently a SNSF Doc. Mobility fellow and a visiting scholar at Hunter College/CUNY.
Charlotte Matter is postdoc researcher at the University of Zurich’s Institute of Art History, where she coordinates the specialized Master’s program in Art History in a Global Context. Her doctoral thesis explored the use of plastics in art of the 1960s and 1970s from a feminist perspective. Her current research interests include collectivity in art and intersectional approaches.
Laura Valterio is currently research and teaching assistant at the University of Zurich and at the Bibliotheca Hertziana Max-Plank Institute for Art History in Rome. Her PhD project explores the materiality of seventeenth century Italian painting. From 2015 to 2018 she was a graduate fellow at the NCCR eikones - Iconic Criticism at the University of Basel.
Unlearn the Body: New Approaches on Disability and Art History >>
Workshop hosted by the "Rethinking Art History through Disability" Research Project
Friday, June 3 and Saturday, June 4, 2022
Institute of Art History, University of Zurich and online
Organized by Amanda Cachia (University of California, San Diego) and
Virginia Marano, Charlotte Matter and Laura Valterio (University of Zurich)
"Crip time is flex time not just expanded but exploded; it requires re-imagining our notions of what can and should happen in time, or recognizing how expectations of ’how long things take’ are based
on very particular minds and bodies. Rather than bend disabled bodies and minds to meet the clock, crip time bends the clock to meet disabled bodies and minds".
Alison Kafer, Feminist, Queer, Crip, Bloomington: Indiana University Press, 2013, p 27.
Literatur zum Thema:
Joseph P. Shapiro, No Pity: People with Disabilities Forging a New Civil Rights Movement, New York: Times Books, 1994.
Rosemarie Garland Thomson, Freakery: Cultural Spectacles of the Extraordinary Body, New York: New York University Press, 1996.
Amelia Jones, Body Art: Performing the Subject, Minneapolis: University of Minnesota Press, 1998.
Paul K. Longmore and Lauri Umansky, The New Disability History: American Perspectives, New York: New York University Press, 2001.
Tobin Siebers, Disability Aesthetics, Ann Arbor: University of Michigan Press, 2010.
Ann Millett-Gallant, The Disabled Body in Contemporary Art, New York: Palgrave Macmillan, 2010.
Misfits: A Feminist Materialist Disability Concept, Rosemarie Garland-Thomson, in: Hypatia, Vol. 26, No. 3, Ethics of Embodiment (summer 2011), pp. 591-609
Re-Presenting Disability: Activism and Agency in the Museum, edited by Richard Sandell, Jocelyn Dodd, and Rosemarie Garland-Thomson, London: Routledge, 2013.
Petra Kuppers, Studying Disability Arts and Culture: An Introduction, London: Bloomsbury Publishing, 2014.
Disability and Art History, edited by Ann Millett-Gallant and Elizabeth Howie, London: Routledge, 2017.
The Routledge Handbook of Disability Arts, Culture, and Media, edited by Bree Hadley and Donna McDonald, London: Routledge, 2018.
Contemporary Art and Disability Studies, edited by Alice Wexler and John Derby, London: Routledge, 2020.
Dis_ability Art History, Kritische Berichte, no. 4 (2020), edited by Felix Jäger and Henry Kaap.
Disability, Arts, and Culture: Methods and Approaches, edited by Petra Kuppers, London: Intellect, 2022.
Disability and Art History from Antiquity to the Twenty-First Century, edited by Ann Millett-Gallant and Elizabeth Howie, London: Routledge, 2022.
The Routledge Companion to Art and Disability, edited by Keri Watson and Timothy Hiles, London: Routledge, 2022.
Curating Access: Disability Art Activism and Curating Accommodation, edited by Amanda Cachia, London: Routledge, 2022.
Weiteres:
Disability in Art History @ Art History Teaching Resources >>
Nothing About Us Without Us: Disability Arts Now, Emily Watlington, October 10, 2022, in: Art in America
>>
Disability Culture So Far: A Movement in Milestones, Emily Watlington, October 14, 2022, in: Art in America >>
Arts Of The Working Class, No. 24, 2022: To Perform or Not To Perform?: On Sports and Dis*ability >>
Benachteiligung verboten? ’Triage’ und das uneingelöste Gleichstellungsversprechen, Raphael Rössel, 30.10.2022, in: Geschichte der Gegenwart >>
Carolyn Lazard: Accessibility in the Arts: A Promise and a Practice, 2019 >>
Park McArthur: Ramps, 2014, @Essex Street, New York >>
Kunsthistorische Beispiele zum Thema:
Hendrik Goltzius: Goltzius’ Right Hand, 1588
Jusepe de Ribera, Lo Spagnoletto: The Sense of Touch, 1632
Frances Cooper: Sarah Biffin at Bury Fair, 1810
Sarah Biffin: A Portrait of Sarah Biffin at her painting slope, c. 1825
Lorenza Böttner und Johannes Koch: ohne Titel, 1983
Donald Rodney: In the House of my father, 1996/97, Fotografie
Park McArthur: Ramps, 2014
Carolyn Lazard: Crip Time, 2018
Jesse Darling: Collapsed Cane, 2018
Dolly Sen: Cardboard packaging, 2018
Robert Andy Coombs: Crip Fag, 2020
Panteha Abareshi: Unlearn the Body, 2020
Shannon Finnigan und Bojana Coklyat: alt-text-as-poetry.net, 2019 >>
Shannon Finnegan: Do you want us here or not (MMK), 2021
Elektra KB >> und >>
Leben und Werke der Lorenza Böttner, Paul B. Preciado, 2017 @documenta14
dt. >> und eng. >>
Lorenza Böttner: Requiem for the Norm, Württembergischer Kunstverein Stuttgart, 23.2.-28.7.2019
>>
Aktuelles:
Kingdom of the Ill. Das zweite Kapitel von TECHNO HUMANITIES (2021-2023)
@Museion in Bozen >>
1. Oktober 2022 - 5. März 2023
Handle with Care: Art and Touch with Jillian Crochet, Carmen Papalia, Whitney Mashburn, and Georgina Kleege
Online Event: Thursday, December 15, 2022 | 4pm >>
Disabled Artists and Covid-19, by Joana Ferreira, 2022 >>
The Seven Inclusive Principles, UK Disability Arts Alliance, 2021 >>
Was wäre zu verlernen?:
Unwissen darüber, wie "disabled bodies" historisch und zeitgenössisch dargestellt und darüber hergestellt wird
Unwissen, welche Stereotypen und Klischees über Bilder produziert, reproduziert und etabliert werden und zur Norm und unhinterfragten Wahrheit werden
Unwissen über Medialisierungs- und Re-Medialisierungsprozesse
Was wäre umzulernen?:
Unzugänglichkeit der Kunstwelt
Feste Verankerung von ableistischen Formen in der Kunstwelt
Ableismen, z.B. sichtbar in den Zugangsbarrieren zu Kunstinstitutionen, in denen kaum Sitzgelegenheiten und Ruheräume existieren und keine Getränke erlaubt sind
Disziplinierung von Körpern in/durch Museumsinstitutionen
fehlende Vermittlung für Menschen mit Hör- und Seheinschränkungen
Akademien und Universitäten sind von ebensolchen Ableismen beeinflusst
Ausrichtung der Kunstwelt z.B. auf Geschwindigkeit, Menge an auszustellenden Kunstwerken und Monumentalität
Durch/mit Disability können wir fragen: Wie können wir (anders) in der Welt sein? Könnten wir unsere Bedürfnisse von kapitalistisch vermittelten Begehren unterscheiden? Wie kann sich Altagspraxis daraufhin verändern? Wie ließe sich Kommunikation daraufhin verändern?
Was wäre neuzulernen?:
Verhältnis Kunstgeschichte und Intersektionalität
Ausdifferenzierung des Spektrums an Intersektionalitäten
Wahrnehmung wirksamer Barrieren
Wahrnehmung von Dynamiken und Wechsel von Barrieren (z.B. wird bei der Online-Lehre das eine möglich, anderes wiederum nicht)
Sichtbarkeit von Künstler*nnen mit Behinderungen, die entweder von vornherein ausgeschlossen oder nachträglich nicht dokumentiert/gesammelt/archiviert wurden
Kunstgeschichten, die deshalb noch nicht geschrieben wurden und die es zu schreiben gilt
Rosemarie Garland-Thomsons Konzept des misfit (Fehlanpassung, 2011) als die sich dauerhaft verändernde räumliche und zeitliche Beziehung stattet disabled person mit Handlungsfähigkeit und Wert aus (Idee von "temporarily dis-/able-bodied")
Weil Körper immer anders sind, können sich Beziehungen (auch zur Umwelt) ändern
Begriffe (Disability, impairment, funktionale Diversität, Crip Theory)
Wie können wir neulernen?
Captioning von Videokonferenzen
Beschreibung von Bildern
anfängliche Selbstbeschreibung von sich
die ganze Kunstgeschichte für blinde und sehbehinderte Personen zugänglich machen
hierzu Shannon Finnigan und Bojana Coklyat: alt-text-as-poetry.net
Leichte Sprache in Ausstellungen
Take care of time!
Empfehlungen für Ver-/Um-/Neulernprozesse von Kunsträumen:
Guidelines für Zugänglichkeit in Kunsträumen: "Accessibility in the Arts: A Promise and a Practice", 2019 von Carolyn Lazard >> :
- American Sign Language Interpretation
- Audio Description
- Communication Access Real-Time Translation (CART) = a real-time, speech-to-text captioning system that can be used for live and remote events broadcast online.
- Chemical Sensitivity and Air Quality
- Childcare
- Closed Captioning (It includes text-based transcription of dialogue and description of sounds, affect, and music.)
- Communication (People with psychological, developmental, and/or cognitive disabilities face incredible barriers to community access.)
- Consent (creating an institutional culture that privileges consent in interpersonal interactions.)
- Content warnings
- Food and Dietary Restrictions
- Harm Reduction and Overdose Preparedness
- Image Captions for Web Accessibility
- Lighting and Flash Recording
- Live Streaming Events (Live Streaming or video documentation made available to the public are another critical tool for creating more accessible arts institutions.)
- Mobility
- Personal Care Assistants (PCA) and Service Animals
- Restrooms
- Spanish Language
- Seating and Seating arrangements (People of varying sizes and abilities require varying kinds of seating for an event.)
- Sensory Rooms (accessibility for a neurodiverse public by providing sensory rooms for sensory stimulation and calming.)
- Sliding Scales and Economic Justice (Disability is often the cause and the consequence of poverty.)
- Text
- Touch Tours
- Transportation (The very ability to arrive at an arts institution is deeply dependent on the transportation infrastructure that surrounds the space.)
Analoge Guidelines für die akademische Kunstgeschichte müssen noch aufgesetzt werden?
Cem A. aka @freeze_magazine @cem_____a, 15.12.2022, Twitter >>
15.12.2022
Texte zur Kunst: Art History Update, Heft 128, Dez. 2022 >>
"Aktuell drängt sich die Frage auf, ob das Fach die eigene Geschichte mitsamt den ihr innewohnenden Sexismen, Rassismen und Klassizismen nicht nur aufarbeiten, sondern auch eine Wissenschaft entwickeln kann, die die Gleichberechtigung unterschiedlicher Standpunkte und Epistemologien vorantreibt. Die hier versammelten Beiträge decken die noch bestehende Verhaftung in eurozentrischen Perspektiven auf und bieten zugleich alternative methodische und theoretische Zugriffe auf ein erweitertes Gegenstandfeld an."
Kollaborative & Spekulative Forschung & Produktion an den Schnittstellen Kunst, Architektur, Raum, Bild, Sound und Text
Mona Mahall, Architektin und Professorin für Darstellungsmethodik im Entwerfen an der Bauhaus-Universität Weimar & Asli Serbest, Professorin für Temporäre Bauten an der HFK Bremen
Asli Serbest and Mona Mahall work in collaborations across spatial, image, sound, and text practices, at the intersection of art and architecture. They often begin their projects with investigating minor finds, fragments, figures, sites, and rites that exhibit discrepancies, but implicate spatial agility and generosity, as well as poetical and political possibilities. Whether it be in the form of installation, model, video, sound, or publication, all their projects follow a feminist praxis. Therefore, they constitute less fixed spaces and objects than non-linear physical or digital versions and speculations that share an interest in serial variation and possible distortions of form and scale. They play and replay architectural histories, events, and movements and rethink the re-production of space and implied power relations. The aim is to gather to collectively (re-)consider rejected knowledge and to find alternative modes of organizing our lives, schools, online and offline movements.
Serbest/Mahall exhibit and publish internationally, among others at Biennale di Venezia, Ural Biennial, Kunstraum Kreuzberg/Bethanien Berlin, Riverrun Istanbul, Württembergische Kunstverein Stuttgart, Pinakothek der Moderne Munich, Storefront for Art and Architecture New York, HKW Berlin, Vancouver Art Gallery, Künstlerhaus Stuttgart, New Museum New York; in e-flux journal, Volume Magazine, Perspecta, Istanbul Art News, etc.
They are the editors of the independent magazine Junk Jet >> .
In 2019, they curated the 7th International Sinop Biennial under the title of "A Politics of Location."
They live and work in Berlin. monaasli.net
Following a professorship at Rhode Island School of Design, Asli Serbest was appointed Professor of Temporary Spaces at Hochschule für Künste Bremen in 2017. She studied architecture in Istanbul and in Stuttgart, and visual media in Vienna and Milan. Serbest did her PhD together with Mona Mahall on speculation in modern culture.
Since 2022 Mona Mahall has been serving as a professor at the Department of Architecture and Urbanism at Bauhaus Universität Weimar. Previously, she worked at Cornell University NY and Kunstakademie Stuttgart, among others. She studied art and media theory as well as architecture at Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Mahall did her PhD together with Asli Serbest on speculation in modern culture.
Asli Serbest, Mona Mahall: n minus 1, installation, cardboard, tape, kitchen paper, 2019, Screenshot >>
Was wäre zu verlernen?:
binäre Relationen, die hierarchisch zueinander positioniert wurden/werden (z.B. Licht und Dunkelheit)
Metaphoriken (wie z.B. dunkel und hell), die folgenschwere soziale, politische und ökonomische Implikationen haben
naturalisierte Gegensätze
Verbindung von Dunkelheit und Rassismus
Ideologien und Weltanschauungen Ästhetischer Visualisierungen und Sichtbarmachungen
Was wäre umzulernen?:
Reduktivitäten in der Wahrnehmung und Betrachtung
hartnäckige Vorliebe für das Licht und das Helle
die Vorstellung, die lineare Perspektive sei ein reines und neutrales Tool, obwohl Linearität z.B. die Distanz zwischen Objekt und Subjekt herstellt
bildliche Techniken, die zugleich epistemologische Auswirkungen haben, ohne dass dies reflektiert oder verhandelt wurde/wird (z.B. Perspektivkonstruktion)
reduzierte Binaritäten und hierarchisch geordnete Grenzwerte
bestehende Links zwischen gesetzten Gegensätzen (z.B. Vorder- und Hintergrund, Gezeigtes und Verborgenes)
Was wäre neuzulernen?:
die Geschichte der westlichen Philosophie, der westlichen Kunst und Architektur und ihre Ausgerichtetheit auf das Helle und das Licht ("Aufklärung"), gefangen in der Fotologie (Derrida)
Alternativen zu gesetzten und naturalisierten Relationen
Spektren, Fluiditäten, Komplexierungen, Dazwischen, Stufen (auch in Bezug auf Geschlecht und Sexualität)
Zwischenfelder statt Binaritäten
Opazitäten als Nichtdurchsichtigkeiten
Wie können wir neulernen?:
die Grenzen zwischen den Disziplinen verhandeln
die Grenze zwischen Theorie und Praxis verhandeln
die Reduktivität im Verständnis dessen, womit wir beschäftigt sind, nicht unterstützen, da es zu anderen Zeiten und in anderen Kulturen anders funktioniert(e)
inter- und transdisziplinär arbeiten
"indisziplinär" arbeiten, d.h. unkategorisierbar sein und bleiben
durch eine disziplinäre Verwirrung und Destabilisierung Disziplinen und Fächer in Frage stellen und sie rekonzeptualisieren
n-1 (Deleuze/Guattari 1976): eine Subtraktion, etwas rausstreichen, etwas Wegnehmen, ein kleiner operativer, formal methodischer Eingriff, durch den Machtverhältnisse verändert und Relationen neu gesetzt bzw. neu verbunden werden können
n-1 = eine formale Operation, die politisieren kann
mittels Fallstudien: Eng und spezifisch mit kleinen Fundstücken beginnen (mit einem Gebäude aus der 1920 Jahren, einen vormodernen Entwurf, einer Studien aus der islamischen Kartografie ...), um sich dann allgemeinen Fragen zu widmen
Links zwischen konstruierten und definierten Gegensätzen durch n-1 wegnehmen (statt z.B. neue Begrifflichkeiten entwickeln)
für Herangehensweisen, Methoden, Farben, Objekte, Formen, die als Gegensätze definiert sind, die tradierten Verkabelungen auflösen und evtl. neue Gegensätze deklarieren
ausserhalb des gewohnt Logischen agieren
spekulieren
"sowohl als auch" statt "entweder oder"
emanzipatorisches Potential des Auffaltens
minorities als das vorgeblich wenig oder weniger Wichtige in den Blick nehmen
Einige Literaturempfehlungen:
Tanizaki Jun’ichiro 1933: Lob des Schattens >>
Eugène Minkowski 1972: Die gelebte Zeit. Über den zeitlichen Aspekt psychopathologischer Phänomene, Salzburg (Le temps vécu, Paris 1933).
Jacques Derrida 1983: Grammatologie, Frankfurt am Main.
Gilles Deleuze 1993: One manifest less, in: The Deleuze Reader, hg.v. C. V. Boundas. New York, S. 204-22.
Gilles Deleuze and Anthony Uhlmann 1995: The Exhausted >> .
Éduard Glissant 1997: Poetics of Relation.
Darby English 2007: How to see a work of art in total darkness, Cambridge, MA >> .
Sharon Rotbard 2015: White City, Black City: Architecture and War in Tel Aviv and Jaffa, London >> .
Michelle M. Wright 2015: Physics of blackness: beyond the middle passage epistemology, University of Minnesota Press.
Der Vortrag von Christian Dobel (Diplompsychologe, Professur für Experimentelle HNO Wissenschaft am Uniklinikum Jena >> ) zum Thema "Perspektiven der Neurokognitionsforschung" entfällt leider, da die Weihnachtsferien verlängert wurden.
12.01.2023
Postkoloniale Politiken
Eric Otieno Sumba, Soziologe und Politikwissenschaftler >>
Anhand von Beispielen aus seiner Arbeit an der Schnittstelle zwischen Kunst und Kultur, Politische Theorie und Gesellschaftskritik versucht Eric Otieno Sumba seine Rolle als schreibender, kuratierender und forschender Akteur im Deutschen und Italienischen Ausstellungsbetrieb nachzuvollziehen und zu reflektieren. In diesem Vortrag fokussiert er sich auf Schlüsselereignisse in den fünf Jahren zwischen documenta 14 und documenta fifteen, die seine Perspektive auf seine Arbeit grundlegend verändert haben.
Eine Entrümpelung der Wissenskultur ist längst fällig, 17.02.2019, in: Monopol >>
The Burns Halperin Report 2022
The Burns Halperin Report. Introducing the 2022 Burns Halperin Report. Here is what you can expect from the Burns Halperin Report, which explores representation in U.S. museums and the international art market, Julia Halperin & Charlotte Burns, December 13, 2022, in: artnet.com >>
Graphic by Nehema Kariuki. Courtesy of the Burns Halperin Report 2022, Quelle >>
Graphic by Nehema Kariuki. Courtesy of the Burns Halperin Report 2022, Quelle >>
Graphic by Nehema Kariuki. Courtesy of the Burns Halperin Report 2022, Quelle >>
Was wäre zu verlernen und umzulernen?:
unser Beharren auf die Singularität der Kunstgeschichte
unser Beharren auf die Singularität der Kunst
unsere Obzession für Dualismen als Ergebnis der europäischen Aufklärung (entweder - oder, männliche - weiblich, rational - emotional, Stadt - Land ...)
unser fehlendes Vorstellungsvermögen für Alternativen
unsere etablierten Gewaltsysteme, die z.B. durch unsere Gesetze, Museen und Curricula fortgeführt werden
Was wäre neuzulernen?:
Möglichkeitsräume eröffnen
3. Wege als Alternative zu Dualismen, denn: mehrere Wege müssen möglich sein
Was ist "die Welt"?
Was heisst "Welt"?
Was ist eine "Weltkunstausstellung"?
Wer hat Anspruch auf was?
Wer hat Definitionsmacht über Mensch, Menschenrechte, Kunst ...?
Wer kann welche Räume nutzen?
Wenn im Dienst eines harmonischen Gefühls trivialisiert wird, bleiben die Auseinandersetzungen trotzdem.
Timeloops entkommen
Wie wäre neu zu lernen?:
mehrere Wege müssen möglich sein
Stimmen entdecken, die nicht dominant sind, die unentdeckt sind, unbekannt sind
fragen, was die Kunstgeschichte noch nicht gemacht hat, obwohl sie die skills dazu hat
mit anderen Disziplinen (Politikwissenschaften, Soziologie, Biologie, ...) zusammenarbeiten, so dass andere Erzählungen der Kunstwerke möglich werden
offen sein für Einflüsse
andere Zugangswege zu Kunst finden
neue Türen aufmachen
Normen hinterfragen
den Plural entdecken
Kontexte entdecken
fragen, welche ästhetische Tradition verpasst oder ignoriert wurde und noch einmal untersucht werden muss
fragen, welche Ausbildungsstätten und Schulen noch einmal angeschaut werden müssen
wir müssen an die Strukturen ran, wir müssen uns fragen, wie die Strukturen funktionieren
fragen, welche Entscheidungen getroffen werden, welche Institutionen beteiligt sind
Strukturen lockern
staunen
Allgemein:
"Viel, fast alles ist möglich"
"Die Kunstgeschichte muss aufholen."
"Wir werden staunen!"
Laura Hindelang ist Kunsthistorikerin und arbeitet am Institut für Kunstgeschichte der Universität Bern >> . In ihrem Buch "Iridescent Kuwait. Petro-Modernity and Urban Visual Culture since the Mid-Twentieth Century" (De Gruyter, 2022) untersucht sie die Verschränkung von Stadtentwicklung, visueller Kultur und Erdölindustrialisierung in der arabischen Golfregion. Sie ist Gründungsmitglied der transdisziplinären Forschungsgruppe OCMELA (Oil Cultures of the Middle East and Latin America >> und von Manazir-Swiss Platform for the Study of Visual Arts, Architecture and Heritage in the MENA Region >> . Ihr zweiter Forschungsschwerpunkt ist Gender und Architektur und manifestiert sich im Habilitationsprojekt, das anhand von archivbasierten Case Studies auf eine feministische Revision der europäischen und islamischen Architekturgeschichte bzw. Historiografie vor 1850 abzielt.
Philip Manow, Politics of Sanctions, The New Institute, 19.03.2022 >>
Ukraine Special: Beyond the War, The New Institute >>
Oxana Timofeeva, Der Fluch des Öls: Russlands Petroimperialismus und die (in)humanen Geographien des Krieges, Berliner Gazette, 01.11.2022 >>
After Extractivism: ökologisch-ökonomischer Komplex, Berliner Gazette (Jahresthema 2022) >>
Anthropocene Working Group, Subcommission on Quaternary Stratigraphy >>
Supran, G.; Rahmstorf, S.; Oreskes, N. (2023): Assessing ExxonMobil’s Global Warming Projections. In: Science 379 (6628), 1-9 >>
Ursula Biemann, Black Sea Files, 2005, Videoinstallation >>
Texte und Grafiken zur Großen Beschleunigung - The Great Acceleration, bpb, 2023 >>
Sozio-ökonomischen Trends >>
Erdsystemtrends >>
Große Beschleunigung >>
The Great Acceleration, 1750-2000, including measures of northern hemisphere average surface temperature, population, CO2 concentration, loss of tropical rainforest and woodland, GDP, water use, species extinctions, motor vehicles, paper consumption, fisheries exploited, ozone depletion, and foreign investment. Adapted from the Smithsonian, Quelle e-flux
Stefan Rahmstorf, @rahmstorf, 12.12.2022, Twitter >>
Was wäre zu verlernen und umzulernen?:
die Normalisierung und die Ästhetisierung des Projekts Moderne
die Nicht-Geopolitisierung der Kunstgeschichte
"statt als ein rein geistiges Projekt die Moderne als eine gigantische globale Baustelle denken, die die Oberflächen der Erde komplett aufgegraben hat, synthetisiert hat, infrastrukturiert hat, untergraben hat, verkabelt hat, komplett neu gebaut hat - könnte das nicht eine produktivere Denkweise im Umgang mit Moderne sein?"
Gibt es eine Erdölmoderne? Ist sie als eine Zeitepoche zu lesen? Halten wir an den bisherigen historischen Epocheneinteilungen fest? Müssten Energieregime und fossilbasierte Materialitäten nicht genauso wichtig sein wie die französische Revolution und der Kolonialismus?
Was wäre neuzulernen?:
Moderne als bis heute andauernde globale Petromoderne bzw. Petromodernität denken, zusammen mit Imperialismus und Dekolonialismus
Erdölmoderne oder Erdölmodernität als eine mögliche Facette der Historisierung, die in Überschneidung zum Anthropozän gelesen werden kann
Die geopolitische, soziokulturelle und visuell-materielle Vernetzung von Regionen, die durch den infrastrukturellen oder finanztechnischen Transport von fossilen Energien verbunden sind (MENA Region, Lateinamerika, Kaukasus etc.)
Wie verhandeln Bilder, Architektur und Stadt das Erdöl in historischer Perspektive und auf bildlicher, ästhetischer und materieller Ebene?
iconic images in Verbindung mit Erdölinfrastruktur, eine Bildtradition im 20. Jahrhundert, die sich bis in die Gegenwart zieht
Technologien in den Prozessen der Bildgenerierung und Ästhetik energiehistorisch hinterfragen (z.B. die Verbindung von Erdöl und Farbfotografie)
Technologische Konditionierung von Bildern aufzeigen (z.B. die Verbindung von Kerosin und Luftaufnahmen)
Berücksichtigung nicht nur von Kunstwerken und Bauwerken, sondern ebenso von visuellen und materiellen Kulturen und Objekten sowie Infrastrukturen
Recarobonisierung, d.h. das Hineinlesen bzw. Mitdenken oder Mitsehen von fossilen Energien und Materialien in Kunstwerke, Gebäude, Stadtlandschaften, da wir noch lange nicht verstanden haben, welche Rolle Erdöl kulturell für die Konstitution unserer Welt spielt
Erdöl und Energie in die Produktions-, Repräsentations- und Signifikationsprozesse hineinlesen, um uns von fossilen Energien verabschieden zu können (Decarbonisierung)
Themenfeld Stadt - Architektur - Stadtplanung - Erdöl - Erdölförderung - Erdölgelder - Kolonialismus - Imperialismus
Verschränkungen von Kultur, Diplomatie, Kulturpolitik und Extraktionsimperialismus
Verflechtungen zwischen Kunst/Institutionen und Firmen wie Guggenheim, Rockefeller, Getty, die in Extraktionsindustrien involviert waren oder sind und Gewinne als Mäzenatentum oder Philanthropie in den Kulturbetrieb fließen lassen; Erdöl konstituiert auch hier die Kunstgeschichte mit
Klimaproteste in Kunstmuseen (z.B. Just Stop Oil und andere Gruppen in Italien, in der Schweiz, Frankfreich und Deutschland): Warum finden die Proteste in Kunstmuseen und nicht in Geschichts- und Naturkundemuseen statt? Treffen sich in Kunstmuseen (mit Azoulay) Imperialismus und Extraktivismus? Welche Rolle könnten die Museen und die Kunstgeschichte im Zusammenhang der Klimaproteste übernehmen?
Die Rolle der Kunstgeschichte in den Energy Humanities
Wie wäre neu zu lernen?:
Bisherige Lesweisen, z.B. von Minimal Art, könnten statt im Rahmen der vorgegebenen Kunstdiskurse in anderen, energiehistorischen Kontexten gelesen und erschlossen werden
Suche nach den Anschlussmöglichkeiten eines Werks, einer Ausstellung, einer Institution zu fossilen Energien (z.B. der Unterschied, ob eine Kerze oder ein Lichtschalter ein Atelier zum Leuchten bringt)
Chancen für kunsthistorischen Aktivismus: das Hineinlesen von fossilen Energien in Kulturproduktionen, in das Kunstsystem, in Kunst und Architektur als Prozess der gesellschaftlichen Sichtbarmachung
Die Gegenstände der Kunstgeschichte erweitern und visuelle und materielle Kulturen sowie Infrastrukturen berücksichtigen
Reflexion von Wissenschaftspraxis, z.B. als ethnografische Praxis im Feld: Welche Daten werden erhoben?
Fragen des geologischen Anthropozäns auf das kulturelle Anthropozän und damit auf die Kunstgeschichte übertragen: Wie lassen sich die Veränderungen im Erdsystem nachvollziehen? Wer schreibt die Chronik des Planeten? Welche Instrumente und Praktiken machen die Transformationen der Erde lesbar? Welche Schnittstellen gibt es mit der bisherigen Geschichte der Kunst und Architektur? Wo und wie schreiben wir neu?
Anschlüsse finden (im Sinne einer Kunstgeschichte der Komplexität) anstatt eine lineare Geschichte zu erzählen
Inter- und Transdiziplinarität, Kollaborationen mit Kunstschaffenden, Designer:innen, Architekt:innen und stärkere Einbindung einer dekolonisierenden Oral History
Christopher A. Nixon ist Philosoph, Komparatist und freier Kurator. Er ist aktuell Vertretungsprofessor für Soziale Ungleichheit und Sozialpolitik am Fachbereich Sozialwesen der Hochschule RheinMain in Wiesbaden >> . Seine systematischen Forschungsschwerpunkte sind: Postkoloniale, Kritische und Politische Theorie, Ästhetik, Sozialphilosophie sowie (repräsentations-)kritische Museologie.
Philosophisch/(kultur-)historisch untersucht Nixon die kolonialen (Macht-)Diskurse, die sich in den Wissenschaftsdispositiven seit dem 18. Jahrhundert, visuellen Repräsentationsformen und Blickregimen sowie in Staat(lichkeiten) und öffentlichen Institutionen manifestieren. Diese Analyse dient als Ausgangspunkt für eine wissenschaftliche, ästhetiktheoretische, intersektionale und politische Kritik der postkolonialen und postmigrantischen Gegenwarten in einem nationalen und globalen Kontext.
Christopher Nixon: Zu einem postkolonialen Paradigmenwechsel des Museums, 2021
Hamburg dekolonisieren! Initiative zur Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe der Stadt
>>
Bismarck neu denken. Internationaler offener Ideenwettbewerb zur Kontextualisierung des Bismarck-Denkmals im alten Elbpark in Hamburg >>
Christoph Möllers 2022: Grundrechtliche Grenzen und grundrechtliche Schutzgebote staatlicher Kulturförderung. Ein Rechtsgutachten im Auftrag der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien >>
Was wäre zu verlernen und umzulernen?:
die vermeintlichen Objektivität: Wenn es heisst, die Kunstgeschichte sei politiklos, hängt das mit einer bestimmten Definition und zwar einer hegemonialen Definition und einem Maßstab von Wissenschaft zusammen, die objektiv sei bzw. zu sein hat.
Hegemonie weisser und westlicher Perspektiven, die ausblenden oder ignorieren (z.B. dass die ersten fotoähnlichen Produktionen, die Abbildungen von Schwarzen, versklavten Menschen sind, die Zealy-Daguerrotypien)
starke Subjekt-Objekt-Dichotomie als epistemische Tradition im Westen, die auch in der Fotokamera eingeschrieben ist: Fotograf*in, der/die ein Foto macht - Verdinglichung der Menschen, die fotografiert werden, ohne jemals in die Verfügungsgewalt der Fotos zu kommen
nur Konzentration auf die "Pleisir" (Roland Barthes), die intellektuelle Lust nach der einen Erkenntnis, statt auf eine "Jouissance" (auch (Roland Barthes), eine Wolllust als subversive Form der Wissensproduktion
die Überdeterminierung des Schwarzen Körpers, die Stereotypisierung des Schwarzen Körpers als Übersexualisierung
die Reproduktion kolonialer Repräsentations- und Blickverhältnisse
unredliche Unterstellungen (z.B., dass die postkoloniale Theorie, die es auch nicht im Singular gibt, antisemitisch sei)
Stigmatisierungen, die einem poltischen Interesse folgen
historische Vergleiche sind immer unglücklich, sie funktionieren nie
Was wäre neuzulernen?
Das Ästhetische ist immer schon politisch, weil es bestimmte Sichtbarkeitsordnungen schafft, aber diese Sichtbarkeitsordnungen auch umwerfen und neu setzen kann.
Aber auch das Politische ist ästhetisch, denn z.B. Fotografien sind nicht nur ein performativer, sondern auch ein politischer Akt, der eine ästhetische Dimension mit sich trägt.
Partikularinteressen: Wissenschaft ist immer schon politisch, denn mit unseren bestimmten Positionen, aus denen wir Wissenschaft machen, sind bestimmte Positionen vertreten.
Die Veranwortung der Wissenschaftler*innen besteht darin, die Positionalitäten offen zu legen. Wenn ich aus einer Positionalität heraus Wissenschaft betreibe, dann muss ich die Bedingungen der Möglichkeiten der Wissensproduktion deutlich machen. Gleiches gilt für die Kunstproduktion.
Eigene Positionalität kritisch mitreflektieren, ansonsten könnte es zu social porn führen, nämlich Stereotypen zu reproduzieren, statt für andere Politiken zu sorgen und einzuladen, andere Lebensrealitäten zu sehen
um unsere Vorurteile zu hinterfragen und nicht sogar zu verstärken, muss man sich mit Bildregimen auskennen
Komplizenschaften: Wenn bestimmte Kunstwerke geschaffen werden, die bestimmte problematische Blick- und Repräsentationsregime reproduzieren, ohne sie kritisch zu hinterfragen, dann ist das ein Moment der Kompliz*innenschaft. Gleiches gilt für Wissensproduktionen.
koloniale Blickregime
Thema Arbeitsregime, in denen Kunst oder auch Wissen produziert wird und globale Ausbeutungsverhältnisse installiert werden
Fragen nach der Bedeutung von Arbeit in einem globalen Zusammenhang für die Theoretisierung der Kunst und für die künstlerische Praxis
Interesse an Popkulturen, von denen wir heute am meisten geprägt werden. Denn ein elitärer Kunstbegriff schließt bestimmte Positionalitäten aus.
Kunstgeschichte als Bildgeschichte verstehen - wenn sie denn weiterhin Themen in die Kulturwissenschaften auslagert
Marginalisierte Perspektiven, die zu anderen Analysen und Besprechungen von Kunst führen (siehe Christian Kravagna: Transmoderne. Eine Kunstgeschichte des Kontakts, 2017)
Schattenarchive (Allan Sekula)
Was machen wir mit den schrecklichen Fotos z.B. von Schwarzen Körpern, mit Lynchfotografien von versklavten Menschen: Welche Steerotypen zeigen sich immer wieder? Welche Botschaften versuchen die Bilder zu senden? Wie können sie dekonstruiert werden? Wie können wir nach den Blickregimen fragen? Wer hat die Fotos gemacht und aus welcher Positionalität?
Bestimmung und Änderung der Repräsentationsverhältnisse und der Repräsentationspolitik (Stuart Hall): 1. zu anderen Repräsentationsverhältnissen kommen (z.B. mehr Schwarzen Menschen und PoC ermöglichen, Bilder von Schwarzen und PoC zu machen), 2. zu einer anderen Repräsentationspolitik kommen (z.B. Bündnisse zwischen unterschiedlich marginalisierten Formen schaffen und in eine Verbindung zur Bildpraxis und Bildpolitik zu bringen)
Koloniale Fotoregime sind eine Form der Machteinschreibung
korpografische Einschreibungen, Positionalitäten, die in den Körper eingeschrieben sind, die uns bestimmen und von denen wir nicht transzendieren können
Reflexion der je eigenen Erfahrungen und Wissensbestände, mit dem wir in die Diskussion gehen und mit denen wir z.B. Kunst lesen, d.h. Kenntnis des Geworfenseins in die Welt (Unterschied zwischen Position und Positionalität)
"die" Erfahrung gibt es nicht, ebenso nicht "die" community, alles im Plural
Können die Subalternen sprechen (Spivak)?
die Möglichkeiten der Perspektiven und Verhandlungen, die nicht starr, sondern dynamisch sind, auch politisch gesehen: Die Pluralität der Zusammensetzung unserer Gemeinschaft ist als Chance zu begreifen, als etwas Dynamisches, das nicht ohne Konflikt, nicht ohne inneren Konflikt existiert.
Wie wäre neuzulernen?
neue und andere Wissensproduktionen
Sensibilität für und Klärung von Erklärungsbedürftigkeiten
Herstellen eines Möglichkeitsraumes, in dem stereotypen Wissensbestände und Bedeutungssetzungen befragt, aufgebrochen und neu gesetzt werden können
Verbindung des Ästhetischen mit dem Politischen und mit (visueller und sozialer) Gerechtigkeit
die Bedeutung von Paratexten (z.B. Titel, Bildunterschriften)
der Einsatz postkolonialer Theorien und Begriffe (Positionalität, Repräsentationsverhältnisse, Repräsentationspolitik, Gerechtigkeit ...)
Ein wichtiges Interventionsfeld der postkolonialen Theorie ist die Geschichte und hier die folgenden Fragen: Wer erzählt, was wird erzählt, aus welcher Position, welches Machtgefüge drückt sich darin aus, welche Perspektiven tauchen nicht auf (Kanonfragen), welche Sprecher*innenpositionen fehlen? Oder positiv formuliert: Wie werden marginalisierte Positionen in einer Geschichtsschreibung sichtbar gemacht?
Intervention gegen den Eurozentrismus (Eurozentrismus ist eine epistemische Haltung, eine bestimmte Form von Wissensproduktion und Wissensperspektive, die als Standard gesetzt wird und mit der Objekt-Subjekt-Differenz operiert)
In-Frage-Stellen des Wissenschaftsbegriffs und damit des Wissenschaftssystems
Für andere Repräsentationsverhältnisse sorgen: mehr Schwarze Menschen oder PoC in den Universitäten, in den Kulturinstitutionen und in der Kunst. "In Deutschland sind wir unglaublich wenig divers. Wir müssen dafür sorgen, dass wir andere Agent*innen in die Institutionen bringen.", Folge von Machtstrukturen und der damit verbundenen Ausschlussmechanismen
Auflösung der identitätspoltischen Haltung, die nur über andere Repräsentationspolitiken möglich ist
gegen struktuelle Diskriminierung und Verfestigung von Macht in Strukturen: gemeinsam an anderen Bildern arbeiten
für Solidarität sorgen, Solidarität auch als eine Form der Wissensform begreifen
ständiges Produzieren und Dekonstruieren von Sinn und Sinnbedeutung, ohne dass die Sinnproduktionen zum Abschluss zu kommen
Sind wir naiv, wenn wir fragen, ob wir die #Kunstgeschichte als #Kunstgeschichten wahrer, richtiger, bedachter und gelungener erzählen könn(t)en, indem wir ihre Historizität, unser Erbe, unsere Verantwortungen und die Nachbarschaftsverhältnisse (und damit sind nicht nur biologische, sondern auch soziale, affektive, politische und wirtschaftliche Umwelten gemeint) berücksichtigen?
Weitere Empfehlungen im Wintersemester 2022/23:
Tagung Kanonforschung heute: Wiederentdecken, Lesen, Edieren und mehr >>
#breiterkanon >>
9.-12. November 2022
@ Goethe-Universität Frankfurt/Main
Programm >>
Anmeldung zur Teilnahme per Zoom: wernli [at] lingua.uni-frankfurt.de
KONGRESS Die Zukunft der Kritik >>
18. - 19. November 2022: Bundeskunsthalle, Bonn
24. - 26. November 2022: Akademie der Künste, Berlin
Eintritt frei, mit Anmeldung:
Bonn: buchung [at] bundeskunsthalle.de
Berlin: kongress [at] adk.de
Ringvorlesung Equity@Bauhaus >>
donnerstags, 18 bis 19:30 Uhr
Kasseturm, Goetheplatz 10, Weimar oder
Oberlichtsaal, Geschwister-Scholl-Str. 8A, Weimar
Ringvorlesung Image Protests / Bildproteste >>
TU Dresden, FB Kunstgeschichte
wöchentlich montags, 18:30-20 Uhr (CET)
via Zoom
Anmeldung >>
Ringvorlesung Unter Beschuss: Kunsthistorische Revisionen im Zeichen des Ukrainekrieges >>
Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Kunst- und Bildgeschichte
mittwochs, 26.10.2022 - 15.02.2023, 18-20 Uhr
Vorträge >>
Informationen zum Livestream >>
Ringvorlesung On Art and Resistance in Ukraine >>
Organised by Natalya Stupka and Denis Uhreniuk, Hamburg / Lviv / Kyiv, students of Kunstgeschichtliches Seminar, Universität Hamburg
Hamburg/online
2 Nov 22, 15 Dec 22, 19 Jan 23, 19 Uhr
Programm >>
Beiträge zur Institutionsgeschichte >>
Veranstaltungsreihe im Rahmen des Forschungs- und Ausstellungsprojektes im Kunstverein Nürnberg - Albrecht Dürer Gesellschaft im Nationalsozialismus
Nürnberg/online
Die URLs zu den einzelnen Terminen werden im Vorfeld auf der Webseite des Kunstvereins veröffentlicht >>
Ringvorlesung Kritik als Praxis. Praxis als Kritik >>
Graduiertenkolleg 2638: Normativität, Kritik, Wandel
FU Berlin, Hörsaal 1a, Habelschwerdter Allee 45
Donnerstags von 18:15 bis 19:45 Uhr
Stream >>
Ringvorlesung Andere Ideen von Afrika / Other Ideas of Africa >>
Universität Duisburg-Essen, Institut für Kunst und Kunstwissenschaft
02.11.2022-25.01.2023
mittwochs 16-18.00 Uhr, Hörsaal R11 T00 D01
Links zu den Online-Vorträgen >>
Ringvorlesung Forschungen am Objekt. Heritage Science, Restaurierung und Kunstgeschichte im Gespräch >>
Freie Universität Berlin, Kunsthistorisches Institut, Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften
24.10.22 bis 13.2.23
Montags, 16-18 Uhr
Online per Anmeldung >>
Programm >>
Vortragsreihe Intersektional. Prekär. Widerständig. >>
Beiträge zur Zukunft poststrukturalistisch geprägter "Studies" in Deutschland
Schwerpunkt: Disability Studies
ZeDiSplus. Zentrum für Disability Studies und Teilhabeforschung
18. Oktober 2022 bis 31. Januar 2023
Dienstags, 18 - 19:30 Uhr
via Zoom
Anmeldung >>
Lecture series Black German Studies: Transatlantic Perspectives >>
Co-organized by the Chair for German Literature, Comparative Literary Studies and Transatlantic Literary History and the Chair for English, Postcolonial and Media Studies in partnership with the Transatlantic Studies Network
Dec. 2022 - Feb. 2023